Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 27. Juni 2017:
- Ein Gebäude wird auch dann zu eigenen Wohnzwecken genutzt, wenn es der Steuerpflichtige nur zeitweilig bewohnt, sofern es ihm in der übrigen Zeit als Wohnung zur Verfügung steht. Unter § 23 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG können deshalb auch Zweitwohnungen, nicht zur Vermietung bestimmte Ferienwohnungen und Wohnungen, die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzt werden, fallen.
- Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken "im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren" (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 2. Alternative EStG) liegt vor, wenn das Gebäude in einem zusammenhängenden Zeitraum genutzt wird, der sich über drei Kalenderjahre erstreckt, ohne sie – mit Ausnahme des mittleren Kalenderjahrs – voll auszufüllen.
Der Gewinn aus der Veräußerung einer im Privatvermögen befindlichen Immobilie ist bekanntlich steuerfrei, wenn seit der Anschaffung mindestens 10 Jahre vergangen sind. Wird die Immobilie vorher veräußert, bleibt der Gewinn nur dann steuerfrei, wenn es sich um eine selbstgenutzte Wohnung handelt. Die Steuerfreiheit gilt in folgenden zwei Fällen:
Die Selbstnutzung hat während der gesamten Zeit zwischen Anschaffung bzw. Herstellung und Verkauf stattgefunden. Die Wohnung darf also niemals vermietet worden sein. Auf die Dauer der Selbstnutzung kommt es dabei nicht an.
oder
Die Wohnung ist in dem Jahr der Veräußerung und in den beiden Vorjahren ununterbrochen selbstgenutzt worden.
Zweitwohnung
Da der Gesetzeswortlauf viele Fragen offenlässt, hat die Finanzverwaltung 5.10.2000 ein BMF-Schreiben hierzu veröffentlicht. Zu der Frage, ob auch eine Zweitwohnung begünstigt ist, heißt es in Tz. 22 wie folgt:
„Ein Wirtschaftsgut wird auch dann zu eigenen Wohnzwecken genutzt, wenn es von dem Steuerpflichtigen nur zeitweise bewohnt wird, in der übrigen Zeit ihm jedoch als Wohnung zur Verfügung steht. (z. B Wohnung im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung, nicht zur Vermietung bestimmte Ferienwohnung; auf die Belegenheit der Wohnung in einem Sondergebiet für Ferien- oder Wochenendhäuser kommt es nicht an).“
Das Finanzgericht Köln hat mit Urteil vom 18. Oktober 2016 (8 K 3825/11) entschieden, dass die Vergünstigung für selbstgenutzte Wohnungen nicht für Ferienwohnungen gelte. Zweitwohnungen seien nur dann begünstigt, wenn es sich um Wohnungen für eine beruflich bedingte doppelte Haushaltsführung handele. Viele Besitzer von Ferienwohnungen sin durch diese Entscheidung verunsichert worden.
Der BFH hat dieses Urteil hat aufgehoben und die Auffassung der Finanzverwaltung bestätigt, dass auch Ferienwohnungen begünstigt sind, wenn sie ausschließlich selbst genutzt und nicht vermietet wurden. Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken setzt lediglich voraus, dass die Wohnung zum Bewohnen geeignet ist und vom Eigentümer auch bewohnt wird. Unschädlich ist, wenn er das Gebäude zusammen mit einem Familienangehörigen oder einem Dritten gemeinsam bewohnt. Dagegen liegt eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken nicht vor, wenn der Eigentümer die Wohnung entgeltlich oder unentgeltlich einem Dritten überlässt, ohne sie zugleich selbst zu bewohnen.
Ein Gebäude wird auch dann zu eigenen Wohnzwecken genutzt, wenn der Eigentümer es nur zeitweise bewohnt, es ihm aber in der übrigen Zeit als Wohnung zur Verfügung steht. Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken setzt weder die Nutzung als Hauptwohnsitz voraus, noch muss sich dort der Schwerpunkt der persönlichen und familiären Lebensverhältnisse befinden. Ein Steuerpflichtiger kann deshalb mehrere Gebäude gleichzeitig zu eigenen Wohnzwecken nutzen. Erfasst werden daher von der Befreiung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG auch Zweitwohnungen, Ferienwohnungen, die nicht zur Vermietung bestimmt sind, und Wohnungen, die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzt werden. Anders als die Steuerbefreiung in § 13 Abs. 1 Nr. 4 bis 4 c Erbschaftsteuergesetz spricht § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG nicht von einem Familienheim. Daher rechtfertigt der Wortlaut der Vorschrift es nicht, Ferienwohnungen von der Vergünstigung des auszunehmen.
Zeitlicher Umfang der Selbstnutzung
Auch in zeitlicher Hinsicht waren die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG erfüllt. Der BFH bestätigt insofern ebenfalls die Auffassung der Finanzverwaltung. Die 2. Alternative des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG verlangt, dass die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Jahr der der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren stattgefunden hat. Im Jahr der Veräußerung und im zweiten Jahr vor der Veräußerung muss die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken jedoch nicht während des gesamten Kalenderjahres vorgelegen haben. Es genügt eine zusammenhängender Zeitraum der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken, der sich über drei Kalenderjahre erstreckt ohne sie – mit Ausnahme des mittleren Kalenderjahres - voll auszufüllen (vgl. Tz 32 des BMF-Schreibens).
Beispiel
A hat mit Vertrag vom 10 Juli 2010 ein Einfamilienhaus gekauft, das vermietet war. Am 31. Oktober 2015 zieht der Mieter aus. A bezieht das Haus am 1. Dezember 2016.
Mit Vertrag vom 3. März 2018 verkauft A das Einfamilienhaus.
Lösung
Der Veräußerungsgewinn ist steuerfrei.
Zwar hat A das Haus innerhalb von 10 Jahren nach der Anschaffung wieder verkauft, sodass der Gewinn unter § 23 EStG fällt. Er ist jedoch gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG steuerfrei, weil er im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren – ununterbrochen - selbst in dem Haus gewohnt hat. In der Praxis fragt man den Verkäufer deswegen, ob er die beiden vorangegangenen Sylvester in dem Haus gelebt hat.
Kommentar
Man fragt sich, wieso der Fall überhaupt zum Gericht kommen konnte. Wenn das Finanzamt die Anweisungen in dem BMF-Schreiben vom 5.10.2000 beachtet hätte, hätte es den Gewinn von sich aus steuerfrei lassen müssen.