Immobilienverband

Abgesenkter Umsatzsteuersatz in 2020

Abrechnung der Versorgungsunternehmen mit dem falschen Umsatzsteuersatz

von Hans-Joachim Beck

Versorgungsunternehmen dürfen ihren Kunden für die Lieferungen des gesamten Jahres 2020 nur den abgesenkten Umsatzsteuersatz von 16 bzw. 5 Prozent in Rechnung stellen, wenn der Abrechnungszeitraum im zweiten Halbjahr 2020 endete. Dies gilt auch dann, wenn das Versorgungsunternehmen zum 30.6.2020 eine Zwischenablesung vorgenommen hat.

Nach den Ausführungen im BMF-Schreiben vom 30.06.2020 (Tz. 35) unterliegen die Lieferungen der Versorgungsunternehmen für das gesamte Jahr 2020 dem abgesenkten Steuersatz von 16 statt 19 Prozent (z.B. Strom) und von 5 Prozent statt 7 Prozent (Wasser), wenn der Ablesezeitraum im zweiten Halbjahr 2020 endete. Dementsprechend dürfen die Versorgungunternehmen ihren Kunden auch nur diese abgesenkten Steuern in Rechnung stellen.

Viele Versorgungsunternehmen haben jedoch zum 30.6.2020 eine Zwischenabrechnung vorgenommen und ihren Kunden die Leistungen des ersten Halbjahres mit dem ungeminderten Steuersatz in Rechnung gestellt. Auf Nachfrage haben die Versorger dies damit begründet, dass sie aufgrund ihrer ABG oder Bezugsbedingungen verpflichtet seien, Preisänderungen weitergeben. Da bei der umsatzsteuerfreien Wohnungsvermietung die Umsatzsteuer in die BKA-Abrechnung eingeht, geht das zulasten der Mieter.

M.E. haben die Versorgungsunternehmen nicht das Recht ihren Kunden die Leistungen des ersten Halbjahres mit dem regulären Steuersatz in Rechnung zu stellen. Wenn die AGB besagen, dass die Unternehmen berechtigt und verpflichtet sind, Erhöhungen der Umsatzsteuer weiterzugeben, heißt dies nicht, dass sie berechtigt (und verpflichtet ) sind, vor dem 30.6.2020 eine gesonderte Ablesung und Abrechnung vorzunehmen und dadurch den höheren Umsatzsteuersatz für die Lieferungen des ersten Halbjahres zu verursachen. M.E. sind Verwalter und Vermieter nicht verpflichtet, die in Rechnung gestellte höhere Steuer zu bezahlen.

In den BMF Schreiben vom 4.11.2020 und vom 30.6. 2020 ist zu der Anwendung des Umsatzsteuersatzes folgendes geregelt:
Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) ist der abgesenkte Umsatzsteuersatz auf die Leistungen anzuwenden, die in den Monaten Juli bis Dezember 2020 ausgeführt wurden. Dauerleistungen gelten in dem Augenblick als ausgeführt, in dem der Abrechnungszeitraum endet.

Bei Strom-, Gas- und Wärmelieferungen wird die Leistung dann erbracht, wenn der vereinbarte Ablesezeitraum endet. Wenn der Ablesezeitraum in den Monaten Juli bis Dezember 2020 endet, sind grundsätzlich die Lieferungen des gesamten Ablesezeitraums dem ab dem 1.7.2020 geltenden Steuersatz von 16 Prozent bzw. 5 Prozent zu unterwerfen. Das allerdings gilt nicht, wenn die vor dem 1.7.2020 ausgeführten Lieferungen in Übereinstimmung mit den zugrunde liegenden Liefer- und Vertragsbedingungen gesondert abgerechnet wurden. In diesem Falle unterliegen die vor dem 1.7.2020 ausgeführten Lieferungen ohne Rücksicht auf den Ablauf des sonst üblichen Ablesezeitraums noch dem Steuersatz von 19 Prozent bzw. 7 Prozent.

Wenn das Versorgungsunternehmen zum 30.6.2020 eine Zwischenablesung durchgeführt hat und dies nach den AGB zulässig ist, unterliegen deshalb nach den BMF-Schreiben die bis dahin erbrachten Leistungen dem regulären Steuersatz von 19 bzw. 7 Prozent und nicht dem abgesenkten Steuersatz. Das Versorgungsunternehmen darf diese Differenz dem Kunden jedoch nicht in Rechnung stellen, weil es die Anwendung des höheren Steuersatzes durch sein eigenes Verhalten verursacht hat. Dies stellt m. E. eine Verletzung der dem Kunden gegenüber bestehenden Treue und Sorgfaltspflichten dar, unabhängig davon, in welcher Rechtsform das Verhältnis zwischen dem Kunden und dem Versorgungsunternehmen geregelt ist. Denn nach den Grundsätzen von Treu und Glauben muss ein Versorger alles unterlassen, was bei dem Kunden zu einem unnötigen wirtschaftlichen Schaden führt.

Wenn der Ablesezeitraum im zweiten Halbjahr 2020 endete, hätte das Versorgungsunternehmen aus Rücksicht gegenüber dem Kunden für das erste Halbjahr allenfalls eine Abschlagszahlung verlangen dürfen. Die Rechnung der Versorgungsunternehmen mit dem ungeminderten Steuersatz wäre nur dann korrekt, wenn die Vertragsbedingungen verbindlich regeln würden, dass eine gesonderte Ablesung und Abrechnung zum 30.6.2020 erfolgen muss.

Eine weitere Frage ist allerdings, ob die Verwaltungsanweisung der des BMF insofern überhaupt dem Gesetz entspricht und Versorgungsunternehmen selbständig die höhere Steuer auslösen können, indem sie zum 30.6.2020 eine Zwischenabrechnung vornehmen. M.E. kann die Regelung nur für den Fall einer Erhöhung des Umsatzsteuersatzes gelten. Vom Grundgedanken her stammt die Regelung aus dem BMF-Schreiben vom 11.8.2006, das zu der Anhebung der Umsatzsteuer zum 1.1.2007 ergangen ist. Danach hatte das Versorgungsunternehmen das Recht, eine – noch dem niedrigen Steuersatz unterliegende - Teilleistung zu gestalten, indem es vor dem Inkrafttreten des höheren Steuersatzes eine gesonderte Ablesung und Abrechnung vornimmt, wenn dies den Vertragsbedingungen entsprach. Dementsprechend regelt auch das BMF-Schreiben vom 30.6.2020 für die Rückkehr zum regulären Steuersatz zum 1.1.2021 folgendes: Soweit der Ablesezeitraum nach dem 31.12.2020 endet, wird es von der Finanzverwaltung nicht beanstandet, wenn die Leistung in eine vor und eine nach dem Stichtag ausgeführte Leistung aufgeteilt wird, soweit die Liefer- und Vertragsbedingungen dem nicht entgegenstehen. Für die Aufteilung kann der Verbrauch zu den beiden Stichtagen festgestellt werden. Anderenfalls kann sie im Wege einer Schätzung zeitanteilig erfolgen.

Dies ist eine Billigkeitsregelung zugunsten des Steuerpflichtigen und damit auch der Kunden der Versorger, die die Finanzverwaltung treffen darf. Eine spiegelbildliche Regelung zu Lasten der Versorger und damit letztlich ihrer Kunden ist jedoch gesetzlich nicht gedeckt. Dies bedeutet, dass die Versorgungsunternehmen dem Finanzamt in den Fällen, in denen der Ablesezeitraum im zweiten Halbjahr 2020 endete, auch dann nur die abgesenkte Umsatzsteuer schulden, wenn sie vorher eine Zwischenabrechnung vorgenommen haben. Nur diese gesetzlich geschuldete Steuer dürfen sie ihren Kunden auch in Rechnung stellen.

VRFG a.D. Hans-Joachim Beck

Rechtsberater Referat Steuern

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