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Säumniszuschläge

Säumniszuschläge verfassungsrechtlich zweifelhaft

An der Höhe der ab 2019 entstandenen Säumniszuschläge bestehen verfassungsrechtliche Zweifel. Dies hat der 12. Senat des Finanzgerichts Münster mit Beschluss vom 16. Dezember 2021 (Az. 12 V 2684/21) entschieden.

Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet, so ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 Prozent des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten. Dies entspricht einem Zinssatz von jährlich 12 Prozent.

Im Hinblick auf die sog. Vollverzinsung nach § 233 a und 238 AO hat das BVerfG mit Beschluss vom 8. Juli0 .2021 (Az. 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17) entschieden, dass Nachzahlungszinsen nach § 233a AO verfassungswidrig sind, soweit sie auf Verzinsungszeiträume ab 2014 entfallen. Allerdings gelte die verfassungswidrige Regelung bis zum 31. Dezember 2018 fort.

Daher stellt sich die Frage, ob dies auch für Säumniszuschläge gilt. Denn Säumniszuschläge haben ebenfalls einen Zinscharakter: Sie stellen nicht nur ein Druckmittel dar, um den Steuerpflichtigen zur pünktlichen Zahlung anzuhalten, sondern sollen auch den Zinsvorteil ausgleichen, den der Steuerpflichtige durch die verspätete Zahlung hat.

In dem Verfahren vor dem FG Münster hat der Steuerpflichtige darauf hingewiesen, dass der BFH mit Beschluss vom 31. August 2021 (Az. VII B 69/21) die Vollziehung der Säumniszuschläge zur Hälfte ausgesetzt habe. Nach Ansicht des BFH ist die Entscheidung des BVerfG zu Nachzahlungszinsen insoweit auf Säumniszuschläge übertragbar wie ihnen nicht die Funktion eines Druckmittels, sondern eine zinsähnliche Funktion zukomme. Da sich das Begehren auf Aussetzung der Vollziehung im dortigen Verfahren nur auf die Hälfte der Säumniszuschläge beschränkte, musste der BFH keine Entscheidung über die darüber hinaus gehenden Beträge treffen. Er musste die Sache auch nicht dem BVerfG vorlegen, weil es sich nur um ein Verfahren im vorläufigen Rechtsschutz handelte. In gleicher Weise hatte der BFH bereits mit Beschluss vom 26. Mai 2021, VII B 13/21 über die Aussetzung der Vollziehung entschieden. Das FG Münster hat die Vollziehung der Säumniszuschläge jedoch nicht nur zur Hälfte, sondern in vollem Umfang ausgesetzt.

Da das Finanzamt gegen die Entscheidung des FG Beschwerde eingelegt hat, ist das Verfahren jetzt beim BFH anhängig (Az. beim BFH VII B 54/21 (AdV). Weitere Verfahren zu dieser Rechtsfrage sind beim BFH unter dem Aktenzeichen VII R 55/20 und VII R 19/21 anhängig.

In der Hauptsache werden die Finanzgerichte die Rechtsfrage dem BVerfG zur Entscheidung vorlegen müssen. Das BVerfG hat jedoch bereits in der Entscheidung zu den Nachzahlungszinsen darauf hingewiesen, dass andere Verzinsungstatbestände einer eigenständigen verfassungsrechtlichen Wertung bedürfen und dass dabei zu berücksichtigen sei, dass Steuerpflichtige im Bereich der Teilverzinsungstatbestände grundsätzlich die Wahl haben, ob sie den steuerlichen Zinssatz von 0,5% pro Monat hinnehmen oder sich die zur Tilgung der Steuerschuld erforderlichen Geldmittel anderweitig zu günstigeren Konditionen beschaffen.

Vorsorglich sollte man sich daher gegen Säumniszuschläge wenden. Verfahrensrechtlich ist dabei zu beachten, dass Säumniszuschläge nicht durch einen Bescheid festgesetzt werden, gegen den man Einspruch einlegen könnte, sondern kraft Gesetzes entstehen. Will man sich gegen Säumniszuschläge wenden, muss man deshalb zunächst einen Antrag auf Erlass eines Abrechnungsbescheids i. S. d. § 218 Abs. 2 AO stellen und gegen diesen dann Einspruch einlegen.

 

Fachartikel Steuern vom 26. Januar 2022

 

 

VRFG a.D. Hans-Joachim Beck

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