MIETVERWALTUNG + WEG-VERWALTUNG: EIGENTÜMERVERSAMMLUNG GEGEN DEN VERWALTER

Autor/in: Rechtsanwalt Dr. jur. Marco Tyarks

Quelle: AIZ 3/2022

Kein Anspruch der Wohnungseigentümer auf Einberufung einer Versammlung gegen den Verwalter

Die neue Folge der Serie zur neuen WEG-Rechtsprechung dient der Besprechung der Entscheidung des Urteils des Landgericht Frankfurts vom 17. November 2021 – 2-13 T 69/21. Die Entscheidung beleuchtet einen Teilaspekt der erheblichen Auswirkungen der WEG-Reform 2021, die sich daraus ergeben, dass nach dem Gesetz nicht mehr den Wohnungseigentümern, sondern ausschließlich der Wohnungseigentümergemeinschaft die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums obliegt.

Die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft haben in einem gerichtlichen Eilverfahren (einstweiliges Verfügungsverfahren) einen Antrag gegen den Verwalter gestellt, mit dem sie die Durchführung einer Eigentümerversammlung mit dem Ziel begehrten, auf dieser den Verwalter abzuberufen. Der Verwalter hatte sich offenbar zuvor geweigert, eine entsprechende Versammlung der Wohnungseigentümer einzuberufen.

Das Amtsgericht Fulda hat den Antrag als unbegründet zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Wohnungseigentümer vor dem Landgericht Frankfurt hatte keinen Erfolg. Zur Begründung führte das Landgericht Frankfurt unter anderem aus, dass es ausschließlich Aufgabe der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sei, eine Versammlung der Wohnungseigentümer durchzuführen. Zwar sei es zutreffend, dass diese Tätigkeit durch den Verwalter ausgeübt werden muss. Der Verwalter wird insoweit allerdings lediglich als Organ der Wohnungseigentümergemeinschaft tätig. Demzufolge sind Klagen auf Durchführung einer Eigentümerversammlung nach neuem Recht gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft, und nicht wie hier geschehen, gegen den Verwalter zu richten.

Rechtlicher Kontext

Vor der WEG-Reform 2021 waren die Wohnungseigentümer für die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zuständig, an deren Stelle in den im Gesetz genannten Umfang der Verwalter trat (§ 19 WEG a. F.). Die Wohnungseigentümergemeinschaft war an der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums formal nicht beteiligt. Daher war der Verwalter bisher gegenüber den Wohnungseigentümern verpflichtet, eine Wohnungseigentümerversammlung einzuberufen, wenn ein zwingender Einberufungsgrund bestand. Diesen Anspruch konnte jeder einzelne Wohnungseigentümer bei besonderer Dringlichkeit auch im gerichtlichen Eilverfahren (einstweiligen Verfügungsverfahren) gegen den Verwalter geltend machen. 

Dies hat sich mit der WEG-Reform 2021 grundlegend geändert. Nunmehr obliegt die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums ausschließlich der Wohnungseigentümergemeinschaft (§ 18 Abs. 1 WEG). Der Verwalter ist wiederum nur gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft, nicht aber gegenüber den einzelnen Wohnungseigentümern, verpflichtet. Kommt der Verwalter seinen Organpflichten, hier zur Einberufung einer Wohnungseigentümerversammlung, nicht nach, können einzelne Wohnungseigentümer nur noch die Wohnungseigentümergemeinschaft in Anspruch nehmen.

Vorgesagtes gilt ebenso hinsichtlich des Anspruchs eines jeden einzelnen Wohnungseigentümers auf Aufstellung von Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung, auf Aufstellung und Zurverfügungstellung des Vermögensberichts und auf Einsicht in die Verwaltungsunterlagen. Auch diese Ansprüche sind ausschließlich gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft zu richten. Weigert sich der Verwalter pflichtwidrig, eine Eigentümerversammlung einzuberufen, verbleiben den Wohnungseigentümern insbesondere folgende Möglichkeiten:

Schlussfolgerungen für die Verwaltungspraxis

Natürlich kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass bis zum Ende des Jahres 2025 noch viel Zeit ist — immerhin rund zweieinhalb Jahre. Allerdings vergeht die Zeit im lebhaften Verwaltungsalltag erfahrungsgemäß recht schnell.

Um die Aufgabe zu bewältigen, ist zunächst zu fragen, welche Beschlüsse in einer Gemeinschaft denn überhaupt betroffen sind. Denn es geht nur um Beschlüsse aufgrund einer Öffnungsklausel. Dafür ist zunächst zu ermitteln, welche Beschlüsse öffnungsklauselbasiert sind. In der Regel wird der Beschlusstext selbst das wohl nicht ausdrücklich offenbaren. Deshalb muss inhaltlich untersucht werden, woher die Ermächtigung zur Beschlussfassung jeweils kommt (Gesetz oder Vereinbarung?). Das gilt für alle in einer Gemeinschaft wirksam gefassten Beschlüsse. Je nach Alter der betreffenden Gemeinschaft und Aktivität der Eigentümer bei der Fassung von Beschlüssen über die Jahre hinweg ist daher mit zeitlichem Aufwand zu rechnen. Zudem können sich Schwierigkeiten bei der Rekonstruktion von Beschlusslagen ergeben. Die Verpflichtung zur Führung einer lückenlosen Beschluss-Sammlung besteht von Gesetzes wegen erst seit Mitte 2007. Für Beschlüsse, die vorher gefasst wurden, kann es also erforderlich sein, in Versammlungsniederschriften nachzulesen.

Sind die öffnungsklauselbasierten Beschlüsse in einer Gemeinschaft identifiziert, sollte man in den Dialog mit den Wohnungseigentümern eintreten. Hier gilt es zu klären, wie diese sich zu den betroffenen Beschlüssen positionieren. Dafür ist eine Versammlung sicherlich das richtige Forum. Offenkundig ist, dass die Verwaltung nur dann sinnvolle Empfehlungen geben kann, wenn sie einen vollständigen und zutreffenden Überblick über alle betroffenen Beschlüsse besitzt. Das setzt im Ergebnis die Kenntnis aller jemals in einer Gemeinschaft gefassten Beschlüsse voraus und dürfte die größte Herausforderung mit der hier in Rede stehenden Aufgabe sein. Gegebenenfalls wird dann zum Abschluss die Eintragung eines Beschlusses oder mehrerer Beschlüsse im Grundbuch veranlasst und durchgeführt.

Um die Problematik jedenfalls etwas zu entschärfen, sollte man Folgendes in Erwägung ziehen: Bei der Vorbereitung zukünftiger Beschlüsse wird routinemäßig nun immer auch die Frage gestellt, ob es sich um einen öffnungsklauselbasierten Beschluss handelt. Ist dies der Fall, wird das entsprechend vermerkt, am besten in einer Übersicht mit einer zusätzlichen Notiz zu der jeweiligen Rechtsgrundlage (beispielsweise Paragraph 11 Abs. 2 Gemeinschaftsordnung). Das führt zumindest dazu, dass das Problem nicht mit fortschreitender Zeit immer größer wird. Deshalb nochmals: Es ist wirklich angeraten, sich rechtzeitig mit diesem Thema zu beschäftigen.

 

  • Sind sich alle Wohnungseigentümer einig, kann eine Versammlung stets durch alle Wohnungseigentümer gemeinschaftlich einberufen werden. Gerade bei großen Gemeinschaften ist die Möglichkeit aber nahezu ausgeschlossen, dass man sämtliche Eigentümer zu fassen bekommt.
  • Weigert sich der Verwalter pflichtwidrig, die Versammlung der Wohnungseigentümer einzuberufen, so kann die Versammlung auch durch den Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats, dessen Vertreter oder einen durch Beschluss ermächtigten Wohnungseigentümer einberufen werden (§ 24 Abs. 3 WEG). Für die Ermächtigung eines Wohnungseigentümers ist allerdings wiederum ein Beschluss und damit regelmäßig eine Wohnungseigentümergemeinschaft erforderlich, da für einen schriftlichen Beschluss grundsätzlich die Zustimmung aller Wohnungseigentümer in Textform erforderlich ist (vgl. § 23 Abs. 3 WEG).
  • Sind die vorgenannten Voraussetzungen nicht zu erreichen, müssen die Wohnungseigentümer, die die Versammlung fordern, eine Klage gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft erheben. Diese Klage kann insbesondere als Leistungsklage erhoben werden, die darauf gerichtet ist, die Wohnungseigentümergemeinschaft zu verpflichten, eine Versammlung mit  bestimmten Tagesordnungspunkten einzuberufen.

Auswirkungen auf die Praxis

Die WEG-Reform 2021 und die Übertragung der Verantwortlichkeit zur Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums auf die Wohnungseigentümergemeinschaft hat dazu geführt, dass Ansprüche der Wohnungseigentümer, die bisher direkt gegenüber dem Verwalter geltend gemacht werden konnten, künftig nur noch übers Eck geltend gemacht werden können. Die Wohnungseigentümer müssen danach ihre Ansprüche unter anderem auf Einberufung einer Versammlung, auf Aufstellung von Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung, auf Aufstellung und Zurverfügungstellung des Vermögensberichts und auf Einsicht in die Verwaltungsunterlagen gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft geltend machen und nach Vorliegen eines gerichtlichen Titels den Anspruch gegebenenfalls im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen. Die Wohnungseigentümergemeinschaft — gegebenenfalls handelnd durch den Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats — muss dann zusehen, diese Ansprüche wiederum gegen den Verwalter gerichtlich durchzusetzen. Dies kann als unbefriedigend bezeichnet werden und dürfte zu einer Vervielfachung der gerichtlichen Verfahren führen.

Auch wenn der Verwalter nicht mehr direkt von den Wohnungseigentümern in Anspruch genommen werden kann, kann sich dieser keinesfalls ruhig zurücklehnen. Für den Verwalter besteht die Gefahr, dass die Gemeinschaft sich die Verfahrenskosten und sonstigen monetären Schäden, die aufgrund seiner Pflichtverletzung eingetreten sind, bei ihm zurückholt.

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