BFH-Urteil: Keine erweiterte Kürzung bei Veräußerung vor Jahresende
Die Einkünfte einer Kapitalgesellschaft gelten gemäß § 2 Abs. 2 GewStG stets als Einkünfte aus Gewerbebetrieb und unterliegen damit ungeachtet des Gegenstands der Tätigkeit der Gewerbesteuer. Nach § 9 Nummer 1 Satz 1 GewStG kann die Kapitalgesellschaft ihren Gewerbeertrag um 1,2 Prozent des Einheitswertes ihrer Grundstücke kürzen. Wenn sie ausschließlich eigenen Grundbesitz oder eigenes Kapitalvermögen verwaltet, kann sie nach § 9 Nummer 1 Satz 2 GewStG die sogenannte erweiterte Kürzung in Anspruch nehmen und ihren Gewerbeertrag um den Teil kürzen, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt.
Diese Voraussetzung ist nach Ansicht des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht erfüllt, wenn eine GmbH ihren gesamten Grundbesitz vor Ablauf des Erhebungszeitraums verkauft und danach keine nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG begünstigte Tätigkeit mehr ausübt. In zeitlicher Hinsicht verlangt das Erfordernis der Ausschließlichkeit, dass das Unternehmen während des gesamten Erhebungszeitraums der begünstigten Tätigkeit nachgeht. Da die Kapitalgesellschaft nicht aufgrund ihrer Tätigkeit, sondern aufgrund ihrer Rechtsform der Gewerbesteuer unterliegt, wird der Erhebungszeitraum für die Gewerbesteuer durch den Verkauf des Grundstücks und die Aufgabe der gewerblichen Tätigkeit nicht beendet.
Bei der Gewerbesteuer wird die gesamte Tätigkeit der Kapitalgesellschaft erfasst, auch wenn eine gewerbliche Tätigkeit nicht – mehr – ausgeübt wird. Die Gewerbesteuerpflicht einer Kapitalgesellschaft endet daher erst, wenn sie jegliche Tätigkeit einstellt, also nicht nur die werbende Tätigkeit, sondern auch die Abwicklung ihres Unternehmens.
Anmerkung von Hans-Joachim Beck
Das Urteil entspricht der langjährigen Rechtsprechung des BFH. Bei der Formulierung des Vertrags über den Verkauf des letzten Grundstücks einer Kapitalgesellschaft sollte man sich deshalb streng an die Vorgaben des BFH halten und den Lastenwechsel zum 31. Dezember um 23:59 Uhr vereinbaren. Meines Erachtens sollte der Gesetzgeber diese steuerliche Falle beseitigen und in § 2 GewStG regeln, dass auch die Einkünfte einer Kapitalgesellschaft nur insoweit der Gewerbesteuer unterliegen, wie es sich um gewerbliche Einkünfte im Sinne des § 15 Abs. 2 EStG handelt. Damit würden sich sämtliche Probleme, die mit der erweiterten Kürzung und der Auslegung des Begriffs der Ausschließlichkeit verbunden sind, erledigen.
BFH, Urteil vom 17. Oktober 2024 – III R 1/23
Leitsatz
Hat eine Kapitalgesellschaft ihren gesamten Grundbesitz einen Tag vor Ablauf des Erhebungszeitraums („zu Beginn des 31.12.“) veräußert, kann sie die sogenannte erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht in Anspruch nehmen, da sie in diesem Fall nicht ausschließlich grundstücksverwaltend tätig war.
Der Fall
Die Klägerin ist eine GmbH. Im Jahr 2016 verkaufte sie das letzte ihrer Grundstücke. Sämtliche Nutzen und Lasten des Grundstücks sollten zu Beginn des 31. Dezember 2016 auf den Käufer übergehen. Der Kaufpreis wurde am 15. Dezember 2016 gezahlt.
Im Jahr 2016 verfügte die Klägerin über zwei Bankkonten. Ein Konto nutzte sie für die Verwaltung des verkauften Grundstücks, bei dem zweiten Konto handelte es sich um das Geschäftskonto der GmbH, auf das auch der Kaufpreis gezahlt wurde. Das Konto wies zum 31. Dezember 2016 ein Guthaben auf. Außerdem hatte die Klägerin Ansprüche gegen die Finanzverwaltung auf Erstattung von Umsatzsteuer. Zinserträge erzielte die GmbH in diesem Jahr nicht.
Mit ihrer Gewerbesteuererklärung für das Jahr 2016 machte die Klägerin die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG geltend. Das Finanzamt versagte die erweiterte Kürzung mit der Begründung, dass der Geschäftszweck der Klägerin nicht die Verwaltung, sondern der Erwerb und Verkauf von Grundstücken sei. Das Finanzgericht gab der Klage statt.
Der hiergegen vom Finanzamt eingelegten Revision gab der Bundesfinanzhof im Wesentlichen statt, gewährte der Klägerin jedoch die einfache Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG. Zur Begründung führte der BFH Folgendes aus:
Voraussetzung für die erweiterte Kürzung ist, dass das Unternehmen – abgesehen von unschädlichen Nebentätigkeiten – ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt. Die Verwaltung eigenen Kapitalvermögens ist nur dann unschädlich, wenn sie neben der Verwaltung eigenen Grundbesitzes erfolgt, nicht jedoch, wenn sie vor oder nach dem Ende der begünstigten Grundstücksverwaltung die alleinige Tätigkeit darstellt.
Der Begriff der Ausschließlichkeit ist sowohl qualitativ und quantitativ als auch zeitlich zu verstehen. In zeitlicher Hinsicht ist erforderlich, dass das Unternehmen während des gesamten Erhebungszeitraums der nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG begünstigten Tätigkeit nachgeht. Denn die erweiterte Kürzung kann nicht zeitanteilig für einen Teil des Jahres gewährt werden. Wird die begünstigte Tätigkeit nur während eines Teils des Erhebungszeitraums ausgeübt, entfallen die Voraussetzungen für die erweiterte Kürzung für den gesamten Erhebungszeitraum.
Grundsätzlich ist Erhebungszeitraum das Kalenderjahr. Besteht die Gewerbesteuerpflicht jedoch nicht während des gesamten Kalenderjahres, ist Erhebungszeitraum gemäß § 14 Satz 3 GewStG der Zeitraum der Steuerpflicht (abgekürzter Erhebungszeitraum).
Während Einzelunternehmen und Mitunternehmerschaften nur so lange gewerbesteuerpflichtig sind, wie sie einen Gewerbebetrieb unterhalten, gilt die Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG). Die Vorschrift fingiert für Zwecke der Gewerbesteuer die Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft als Gewerbebetrieb. Erfasst wird daher die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit, auch wenn eine gewerbliche Tätigkeit nicht – mehr – ausgeübt wird.
Da die Klägerin als juristische Person über den 30. Dezember 2016 hinaus fortbestand, war der Erhebungszeitraum somit durch den Verkauf des Grundstücks nicht abgekürzt, sondern bestand bis zum Ende des Kalenderjahres.
Damit ist die Klägerin an einem Tag des Erhebungszeitraums, nämlich am 31. Dezember 2016, nicht mehr der begünstigten Tätigkeit nachgegangen. Zwar lässt die Rechtsprechung des BFH bei der Veräußerung eines Grundstücks eine sogenannte technisch bedingte Ausnahme zu, wenn der Lastenwechsel zum 31. Dezember, 23:59 Uhr, vereinbart wird. Im vorliegenden Fall war der Lastenwechsel jedoch bereits „ab Beginn“ des 31. Dezember vereinbart worden.
Die vom Finanzgericht diskutierte Frage, ob eine nachlaufende Tätigkeit nach dem Ende der Grundstücksverwaltung nur dann schädlich ist, wenn sie zu steuerbaren Einkünften führen kann, ist unerheblich. Denn im vorliegenden Fall war nicht die nachlaufende Tätigkeit der GmbH am 31. Dezember schädlich, sondern die Tatsache, dass die GmbH nach dem Verkauf des Grundstücks an diesem Tag noch weiter bestanden hat.
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