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BFH, Urt. V. 26.9.2023 – Az. IX R 13/22

Der Erwerb eines Anteils einer Erbengemeinschaft steht nicht dem anteiligen Erwerb eines Grundstücks der Erbengemeinschaft gleich. Die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG, der die Anschaffung oder Veräußerung einer Beteiligung an einer Personengesellschaft der Anschaffung oder Veräußerung eines Wirtschaftsguts gleichstellt, findet nach Ansicht des IX. Senats keine Anwendung auf Erbengemeinschaften, die keine Personengesellschaften sind.

Nach § 23 EStG ist der Gewinn aus dem Verkauf eines Grundstücks steuerpflichtig, wenn der Verkäufer das Grundstück innerhalb der letzten 10 Jahre angeschafft hat. Ein unentgeltlicher Eigentumsübergang wie bei einer Erbschaft, einer Schenkung oder im Fall der Realteilung stellt keine Anschaffung dar. In diesen Fällen ist zur Berechnung des Zeitraums von 10 Jahren auf die Anschaffung durch den Rechtsvorgänger abzustellen.

Der Kläger war aufgrund eines Erbfalls zu 52 Prozent Mitglied einer Erbengemeinschaft, zu deren Vermögen ein Grundstück gehörte. Am 20.10.2017 erwarb er die übrigen Erbanteile hinzu. Zugleich erfolgte eine Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft. Das im Nachlass befindliche Grundstück verkaufte der Kläger am 9.2.2018.

Das Finanzamt unterwarf den erzielten Gewinn der Einkommensteuer, da es den Erwerb der übrigen Erbanteile als Anschaffung des Grundstücks ansah und deshalb der Ansicht war, es handele sich um ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft.

Die hiergegen erhobene Klage blieb erfolglos. Auf die Revision des Klägers hin gab der IX. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) der Klage statt (BFH, Urt. V. 26.9.2023 – Az. IX R 13/22). Nach Ansicht des BFH führt der entgeltliche Erwerb einer gesamthänderischen Beteiligung nicht zu dem anteiligen Erwerb der im Gesamthandsvermögen vorhandenen Wirtschaftsgüter. Denn eine gesamthänderische Beteiligung vermittelt keinen sachenrechtlich fassbaren Anteil und damit auch kein Verfügungsrecht des einzelnen an den Gegenständen des Gesamthandsvermögens.

Dem steht die Regelung in § 39 Abs. 2 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift werden Wirtschaftsgüter, die mehreren zur gesamten Hand zustehen, den Beteiligten anteilig zugerechnet, soweit eine getrennte Zurechnung für die Besteuerung erforderlich ist. Eine solche getrennte Zurechnung ist aber nur erforderlich, wenn die Gesamthand selbst, die nicht Schuldnerin der Einkommensteuer ist, den Besteuerungstatbestand erfüllt. Bei Anschaffungs- oder Veräußerungsgeschäften von einzelnen Gesellschaftern oder Gemeinschaftern ist dagegen eine Zurechnung nach Bruchteilen nicht erforderlich.

Damit widerspricht der BFH der Auffassung des BMF, wie sie in dem Schreiben vom 14.3.2006, BStBl. 2006, S. S. 253, Rz. 43) zum Ausdruck kommt.

Gestaltungsmöglichkeit

Durch die Entscheidung des BFH ergeben sich für Erbengemeinschaften neue und bessere Möglichkeiten, ein Grundstück zu verwerten, das sich im Nachlass befindet. Statt das Grundstück zu verkaufen können sie jetzt demjenigen, der an dem Grundstück interessierte ist, einen Anteil an der Erbengemeinschaft verkaufen. Die Höhe des Anteils sollte dem Anteil entsprechen, den der Wert des Grundstücks an dem gesamten Nachlas ausmacht. Bei der anschließenden Erbauseinandersetzung kann der Käufer des Erbanteils das Grundstück erhalten und die übrigen Erben den restlichen Nachlass, ohne dass Ausgleichszahlungen geleistet werden müssen.

Der Erwerber verwirklicht keinen entgeltlichen Erwerb des Grundstücks: Der Kauf des Erbanteils ist nach dem neuen BFH-Urteil kein Erwerb des anteiligen Grundstücks. Die anschließende Erbauseinandersetzung ist eine Realteilung und damit eine ein unentgeltlicher Vorgang soweit kein Spitzenausgleich gezahlt wird. Der Erwerber kann daher das Grundstück steuerfrei verkaufen, wenn der Erblasser es vor mehr als 10 Jahren angeschafft hat. Er muss nicht selbst 10 Jahre warten.

Der Verkauf des Erbanteils stellt nach dem neuen Urteil des BFH keine Veräußerung des anteiligen Grundstücks dar. Selbst wenn der Erblasser das Grundstück innerhalb der letzten 10 Jahre gekauft hat, verwirklichen die Erben daher durch den Verkauf des Erbanteils kein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft i.S. des § 23 EStG.

Häufig hat der Erblasser das Grundstück vor mehr als 10 Jahren angeschafft. Auch in diesen Fällen ergeben sich aus dem Urteil Vorteile. Der Erwerber des Erbanteils kann nach der Auseinandersetzung das Grundstück steuerfrei verkaufen. Er muss nicht selbst 10 Jahre warten. Denn der Erwerber verwirklicht keinen entgeltlichen Erwerb des Grundstücks: Der Kauf des Erbanteils ist nach dem neuen BFH-Urteil kein Erwerb des anteiligen Grundstücks. Die anschließende Erbauseinandersetzung ist eine Realteilung und damit ein unentgeltlicher Vorgang soweit kein Spitzenausgleich gezahlt wird.

Grunderwerbsteuer

In der Grunderwerbsteuer ist die Betrachtung jedoch anders. Hier gilt der Erwerb des Anteils an der Miterbengemeinschaft kraft Gesetzes als anteiliger Erwerb des Grundstücks, das sich im Nachlass befindet. Zwar ist der Erwerb eines Grundstücks durch einen Miterben zur Teilung des Nachlasses gem. § 3 Nr. 3 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit. Dies gilt jedoch nur für die eigentlichen Miterben, da § 3 Nr. 3 GrEStG die Befreiung des § 3 Nr. 2 GrEStG verlängern will. Der Käufer eines Erbteils, der nicht zu den ursprünglichen Miterben gehört, wird daher durch § 3 Nr. 3 GrEStG nicht begünstigt.

Beispiel (nach Beck, Kommentar zur Grunderwerbsteuer, 2023)
An der Erbengemeinschaft sind A, B, C und D zu je ¼ beteiligt.
Später kauft E dem D dessen Erbteil für 200.000 Euro ab.
Davon entfallen 150.000 Euro auf das zur Erbmasse gehörende Grundstück.

Lösung

Wenn ein Miterbe seinen Anteil an der Erbengemeinschaft überträgt, wird dies gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG als selbständiger Erwerbsvorgang erfasst. Durch den Verkauf eines Miterbenanteils wird deshalb Grunderwerbsteuer ausgelöst, ohne dass es darauf ankommt ob dadurch eine bestimmte Quote erreicht wird. Die Regelungen in § 1 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 3 a GrEStG kommen nicht zur Anwendung. Dies wird im Umkehrschluss aus § 3 Nr. 3 GrEStG gefolgert, da der Gesetzgeber in dieser Vorschrift bestimmte Rechtsgeschäfte unter Miterben ausdrücklich von der Grunderwerbsteuer befreit hat. Mit dem Erbteil ist im vorliegenden Fall kraft Gesetzes ein Viertel an dem Grundstück auf E übergegangen. Die Befreiung des § 3 Abs. 3 Satz 1 findet keine Anwendung, da E durch den Erwerb des Anteils an der Erbengemeinschaft nicht Miterbe geworden ist. Die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer beträgt eine nach § 8 Abs. 1 GrEStG 150.000 Euro.

Dieser Beitrag stellt keine Rechtsberatung dar. Die Ausführungen sollen einen Überblick zu der Entscheidung des BFH und deren Auswirkungen geben.

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