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Im Dialog mit Hanna Steinmüller

Die Wirkung des Zweckentfremdungsverbots in Berlin war Thema ihrer sozialwissenschaftlichen Masterarbeit. Aber auch sonst hat sich Hanna Steinmüller (31) ganz der Bau- und Wohnungspolitik verschrieben. Die grüne Abgeordnete mit westfälischen Wurzeln gehört seit dem Jahr 2021 dem Deutschen Bundestag an. Bei der Wiederholungswahl im Februar dieses Jahres gewann sie ihr Mandat in Berlin-Mitte erneut direkt.

AIZ-Immobilienmagazin: Als direkt gewählte Abgeordnete war das Bauen und Wohnen gleich ein Top-Thema für Sie?

Hanna Steinmüller: Auf jeden Fall! Die Wohnbedürfnisse der Menschen verändern sich in den Lebensphasen. Es sind total persönliche Erwartungen und Wünsche, die es zu respektieren gilt. Ich habe mich schon früh gefragt, welcher politische Rahmen dafür förderlich ist. Und mir ist klar, dass es nur wenig staatlichen Wohnungsbau geben kann und es viele Unternehmen und Privatleute braucht, um genug Wohnungsangebot zu schaffen. Außerdem motiviert mich die Frage, wie es gelingen kann, klimafreundlicher zu bauen.

Wie ist denn Ihr Eindruck: Lassen sich bezahlbare Mieten und preiswertes Leben in den eigenen vier Wänden tatsächlich mit dem Klimaschutz im Gebäudesektor verbinden?

Ich sehe darin keinen Widerspruch, sondern zwei Aufgaben. In den letzten Wintern haben wir doch gemerkt, wie schnell in einem energetisch nicht sanierten älteren Haus die Gasrechnung in die Höhe geht. Für viele Mieter und Eigenheimer ist das eine Kostenfalle. Und in der Sommerhitze spüren wir, dass ein unsaniertes Haus zur Sauna wird und eine gesundheitliche Gefahr darstellt. Eine staatliche Unterstützung für die energetische Sanierung sichert die Lebensqualität für die Bewohner.

Aber wird denn durch die Verschärfungen der energetischen Anforderungen in den letzten Jahren wirklich noch etwas für den Klimaschutz gewonnen? Grenznutzen und Grenzkosten stehen ja kaum noch im Einklang.

Unser Fokus sollte auf den Gebäuden sein, die am wenigsten energieeffizient sind. Ein Drittel der Gebäude ist für 50 Prozent der Emissionen verantwortlich. Da kann man viel bewirken. Wir müssen ohnehin den Energieverbrauch senken. Die Leute wünschen sich ja, dass sie nicht von Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen oder Atomkraftwerken umgeben sind.

Minister Habeck hatte angekündigt, die Mehrkosten durch die Anforderungen des Gebäudeenergiegesetzes für Immobilieneigentümer durch staatliche Förderung ausgleichen zu wollen. Sehen Sie dieses Versprechen eingelöst?

Vielleicht nicht in den ersten Jahren nach der Anschaffung eines neuen Heizungssystems. Die Heizung muss aber auch erst getauscht werden, wenn sie kaputtgeht. Denken Sie an die Prognosen für die künftige Entwicklung der Preise für Gas und Strom. Für die allermeisten Eigentümer wird es sich mit den Zuschüssen aus dem GEG-Förderprogramm auf Dauer rechnen.

Die Baugenehmigungszahlen sind seit längerem im freien Fall, der Niedergang des Wohnungsbaus scheint nicht aufhaltbar zu sein. Was muss geschehen, um die Bau-Wende zu schaffen?

Wer in letzter Zeit bauen oder kaufen wollte, war jahrelang durch niedrige Zinsen verwöhnt. Mein Eindruck ist, dass die Leute sich jetzt an das neue Zinsniveau gewöhnen und sich die Zinsen stabilisiert haben. An den Immobilienmärkten bildet sich schon bald wieder mehr Nachfrage. Mit der neuen degressiven Abschreibungsmöglichkeit rechnet es sich für Unternehmer schneller, wenn sie in Wohnungen investieren.

Ich halte es auch für richtig, gemeinsam mit der Immobilienwirtschaft zu überlegen, wie wir wieder kostengünstiger bauen können und welche Standards es im Wohnungsbau wirklich braucht. Bewohner in Mehrfamilienhäusern wünschen sich einen gewissen Schallschutz, es braucht aber nicht bei allen Ausstattungsmerkmalen immer den Gold-Standard. Bei diesem Thema setze ich auf einen echten Dialog von Politik und Verbänden im Bündnis bezahlbarer Wohnraum.

Mit neuen Programmen wird die Bundesregierung den Wohnungsbau fördern, wo noch Potenziale liegen. Beispielsweise bei der Umnutzung von Büros zu Wohnzwecken.

In einer IVD-Marktumfrage geben Makler an, in der Umwandlung von Büro- und Wohn-Immobilien ein großes Potenzial zu sehen. Wenn die Förderung und schließlich die Rentabilität stimmen, gibt es eine hohe Bereitschaft zu investieren.

Auch hier muss dann noch mal über die Standards nachgedacht werden. Die Gebäude sind ja mal für eine Büro-Nutzung gebaut worden. An den Standards darf die Nutzungsänderung nicht scheitern. Ich habe auch schon im Deutschen Bundestag gesagt: Der Wohnungsbau ist ein scheues Reh. Es braucht verlässliche Rahmenbedingungen und Förderprogramme.

Abseits der Großstädte leben die meisten im Eigenheim. Sie sind direkt gewählte Abgeordnete in Berlin-Mitte. Dort lebt eine große Mehrheit der Menschen zur Miete. Wir prägt diese Situation Ihren Blick auf die Bau- und Wohnungspolitik?

Tatsächlich leben in Berlin-Mitte über 80 Prozent der Menschen zur Miete. In der Vergangenheit gab das Vielen auch eine gewisse Flexibilität in der Lebensführung. Derzeit beobachte ich aber, dass die Leute nicht mehr umziehen und an ihrem bestehenden Mietvertrag festhalten. Sie befürchten, keine vergleichbar ausgestattete neue Wohnung auf dem gewohnten Mietniveau zu finden. Der Mietwohnungsmarkt ist regelrecht eingefroren. Schwer haben es dadurch wachsende Familien, die sich eine größere Wohnfläche wünschen. Ebenso wie beispielsweise Paare, deren Kinder die Wohnung verlassen und die gerne in eine kleinere Mietwohnung umziehen möchten. Die Wohnsituation in Berlin ist in fast jedem Bürgergespräch, das ich habe, ein Sorgenthema. Natürlich prägt mich dieser urbane Blick, die Vorteile des Lebens im Wohneigentum sind mir aber bewusst.

Sie engagieren sich sehr für mehr Barrierefreiheit, auch im Wohnungsbau. Gerade in Berlin behindern Milieuschutz-Verordnungen die Sanierung von Immobilienbeständen.

Wir haben immer mehr ältere und mobilitätseingeschränkte Menschen. Auf mehr Barrierefreiheit zu achten, ist zwar im Neubau am einfachsten. Da aber der Neubau so schwächelt, muss es uns auch im Immobilienbestand gelingen, mehr zugängliche, barrierearme und auch rollstuhlgerechte Wohnungen zu schaffen.

Auch ich erkenne da einen Zielkonflikt mit dem Milieuschutz. Grundsätzlich finde ich es richtig, die sozialen Milieus zu erhalten. Die Bezirksverwaltungen in Berlin gehen mit ihren Verordnungen auch unterschiedlich um. Ich würde immer sagen: Barrierefreiheit zu schaffen, ist keine Luxus-Modernisierung, sondern ein wichtiges gesellschaftliches Anliegen. Ebenso wie die energetische Sanierung. Daran muss sich auch jede Milieuschutz-Verordnung messen lassen.

Veröffentlicht im AIZ-Immobilienmagazin, AIZ 6-7 / 2024

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