Einen Tag vor Ablauf der ersten 100 Tage im Amt zieht der Immobilienverband Deutschland IVD eine kritische Zwischenbilanz: Zwar haben Bundeskanzler Friedrich Merz und Bauministerin Verena Hubertz die Wohnungspolitik auf die Agenda gesetzt. Bekommen haben EigentĂŒmer und Immobilienwirtschaft aber nur die VerlĂ€ngerung der Mietpreisbremse.
Die BautĂ€tigkeit in Deutschland befindet sich weiterhin auf einem historisch niedrigen Niveau â weit entfernt von den jĂ€hrlich benötigten 320.000 Wohnungen. GroĂe Hoffnungen, dass Bundeskanzler Friedrich Merz den Wohnungsbau zur Chefsache macht, haben sich bislang nicht erfĂŒllt.
„100 Tage sind genug, um die Richtung zu markieren. Anstatt der Ankurbelung des Wohnungsbaus dominieren Regulierungsideenâ, erklĂ€rt IVD-PrĂ€sident Dirk Wohltorf. Ein Kurswechsel fĂŒr mehr Investitionen in den dringend benötigten Wohnungsbau und mehr Markt sieht anders aus.
Gleich zu Beginn ihrer Amtszeit hat die Regierung durch die Diskussion um eine Ănderung der Neubauausnahme bei der Mietpreisbremse zulasten der damaligen Investoren das Vertrauen und die Investitionsbereitschaft der Immobilienwirtschaft massiv beschĂ€digt. Der Markt braucht aber Planungssicherheit und das klare Signal: Private Investitionen sind willkommen.â
Bau-Turbo nur wirksam, wenn Kommunen mitziehen
Der im Bundestag beratene Bau-Turbo kann aus Sicht des IVD ein kraftvoller Hebel fĂŒr mehr Wohnraum sein â aber nur, wenn die Kommunen ihn aktiv nutzen.
âOb aus dem Bau-Turbo kein Bau-Stotterer wird, entscheidet sich vor Ort. BĂŒrgermeister, StadtrĂ€te und BauĂ€mter mĂŒssen den neuen planerischen Spielraum nutzen. Sonst bleibt das Gesetz ein Papiertigerâ, warnt Wohltorf.
Private Bauherren entlasten und Eigentum fördern
Der IVD verweist darauf, dass private Bauherren und Selbstnutzer eine tragende SĂ€ule des Wohnungsbaus darstellen â 2024 entfielen ĂŒber 60 Prozent der genehmigten Neubauten auf private Akteure. Doch hohe Baukosten, komplexe Vorschriften und unsichere Förderbedingungen bremsen. Zur Aktivierung des BauĂŒberhangs sollte daher die FörderfĂ€higkeit des EH55-Standards befristet wiederhergestellt werden, wie es auch im Koalitionsvertrag angekĂŒndigt wurde. SchĂ€tzungen zufolge könnten allein dadurch bis zu 51.000 Wohneinheiten realisiert werden.
âWenn die Regierung es ernst meint mit mehr Wohneigentum, muss sie eine tragfĂ€hige Eigentumsförderung auf die Beine stellen. Gerade fĂŒr Familien sind eigenkapitalersetzende BĂŒrgschaften oft entscheidend, um es in die eigenen vier WĂ€nde zu schaffenâ, drĂ€ngt Wohltorf
Private Vermieter sichern Wohnraum
Private Vermieter stellen rund zwei Drittel aller Mietwohnungen in Deutschland und sind damit eine tragende SĂ€ule des Wohnungsmarktes. Steigende Sanierungskosten und die Mietpreisbremse schmĂ€lern jedoch ihre SpielrĂ€ume, in den Immobilienbestand zu investieren. Ziehen sich private Vermieter aus wirtschaftlichen GrĂŒnden zurĂŒck, verschĂ€rft das fĂŒr Wohnungssuchende â vor allem in den beliebten GroĂstĂ€dten â den Wettbewerb um knappen Wohnraum. Eine KĂŒrzung oder gar ein Stopp der BEG-Förderprogramme wĂŒrde dringend nötige energetische Sanierungen ausbremsen und die Klimaziele in weite Ferne rĂŒcken.
WĂ€rmewende ohne klare Leitplanken
Trotz der zentralen ZustÀndigkeit des Bundeswirtschaftsministeriums bleibt offen, wie das GebÀudeenergiegesetz (GEG) geÀndert werden soll. Aus dem Ressort von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche gibt es bislang keine klare Strategie, wie Klimaziele, Wirtschaftlichkeit und soziale VertrÀglichkeit in Einklang gebracht werden können. Bei den von der
Ampel eingefĂŒhrten Heizungsregelungen besteht groĂes Potenzial zur drastischen Vereinfachung. Unklar ist zudem, wie die versprochene Ausrichtung der Vorgaben auf COâ-Emissionen statt auf starre Quoten erneuerbarer Energien umgesetzt werden soll.
„Die WĂ€rmewende gelingt nur, wenn sie wirtschaftlich tragfĂ€hig, technologieoffen und zuverlĂ€ssig planbar ist. Derzeit fehlen belastbare AnsĂ€tze und ZeitplĂ€ne â auch fĂŒr die Umsetzung der
EuropĂ€ischen GebĂ€uderichtlinie (EPBD) bis Juni 2026â, kritisiert der IVD-PrĂ€sident. âDringlich ist zudem die Reform der WĂ€rmelieferverordnung: Solange neue klimaneutrale WĂ€rmesysteme nicht teurer sein dĂŒrfen als bestehende fossile Heizungen, bleibt der Ausbau der FernwĂ€rme blockiert â
und damit die Dekarbonisierung. Im GebĂ€udeenergiebereich fehlt weiterhin ein funktionierendes Gesamtkonzept. Jeder weitere Monat des Zögerns vergröĂert den Sanierungsstau.â
IVD-Forderungen fĂŒr den politischen Herbst
Nach der Sommerpause erwartet der IVD von der Politik:
- Schnelle EinfĂŒhrung und flĂ€chendeckende Umsetzung des Bau-Turbos durch die Kommunen
- VerlĂ€ssliche Förderprogramme fĂŒr private Bauherren, insbesondere eigenkapitalersetzende BĂŒrgschaften
- Verzicht auf marktbremsende Regulierung wie die zahlreichen geplanten Ănderungen im Mietrecht oder das Umwandlungsverbot
- Technologieoffene WĂ€rmepolitik mit einfachen Regelungen, realistischen Umsetzungsfristen und einer Reform der WĂ€rmelieferverordnung
„Hundert Tage nach Amtsantritt zĂ€hlt nicht mehr, was angekĂŒndigt, sondern was umgesetzt wird. Jetzt ist der Moment, den RĂŒckenwind fĂŒr Investitionen zu erzeugen â sonst bleibt der Wohnungsbau im Gegenwind stecken“, fasst Wohltorf zusammen.
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