Im Dialog mit Petra Müller
Petra Müller ist Head of Development bei der Periskop GmbH in Berlin. Mit ihrer Erfahrung als ehemalige Bundestagsabgeordnete (2009-2013) mit dem Schwerpunkt Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sowie als gelernte Bauzeichnerin und selbstständige Architektin verbindet sie die Welten von Politik und Immobilienwirtschaft. Als Vorsitzende der Liberalen Immobilienrunde, einem überparteilichen Branchen-Netzwerk, fordert sie mehr Vertrauen der Politik in die Immobilienbranche. Im Gespräch mit dem AIZ-Immobilienmagazin teilt sie ihre Einschätzungen zur Zukunft des Wohnungsbaus, zu politischen Herausforderungen und zur Stärkung der Immobilienwirtschaft.
AIZ-Immobilienmagazin: Sie bringen Erfahrungen sowohl aus der Immobilienwirtschaft als auch aus der Politik mit. Wie beeinflusst diese Doppelperspektive Ihre Sicht auf die aktuellen Herausforderungen im Wohnungsbau?
Petra Müller: Politiker haben ein ausgeprägtes Sicherheitsdenken. Vielen fehlt leider das Vertrauen in die Menschen. Politiker treibt die Angst vor den Bürgern, die findig sind und Gesetzeslücken ausnutzen. Jeder Ruf nach neuen Gesetzen ist immer Ausdruck dieses Misstrauens. Ich bin davon überzeugt, dass Politik ein neues Vertrauen zu den Menschen und auch in unsere Branche entwickeln muss. In meinen vielfältigen Funktionen sehe ich mich als Vermittlerin zwischen Immobilienwirtschaft und Politik und will beide Seiten immer wieder zusammenzubringen. Ich versuche gerade, der Politik zu erklären, was das für Baufirmen und Projektentwickler bedeutet, dass es noch keinen verabschiedeten Bundeshaushalt gibt. Auch vor dem Hintergrund der Erfahrung, wie es geknallt hat, als seinerzeit die KfW-Förderung für komplett durchfinanzierte Projekte gestoppt wurde. Das war dumm und der erste Schritt zur Verunsicherung der Immobilienwirtschaft durch die gescheiterte Bundesregierung.
Die Bauwirtschaft prognostiziert für 2025 einen drastischen Rückgang der Neubauzahlen. Der IVD fordert, die Komfortstandards abzusenken, um Baukosten zu reduzieren. Funktioniert die Rückkehr zu einfacherem Bauen?
Wir sind so wenig flexibel! (lacht) Wenn in einem Schlafzimmer oder in einer Küche vorgegeben ist, wie viele Steckdosen da hineingehören, dann ist das fragwürdig. Es muss doch Sache von Bauherr und Architekt sein, wie sie bauen wollen, da muss der Gesetzgeber nichts vorschreiben. Über den Grundriss und die Innenausstattung des eigenen Zuhauses muss doch wohl noch jeder selbst entscheiden dürfen. Die eigenen vier Wände sind sogar grundgesetzlich vor dem Zugriff des Staates geschützt.
Steigende Baukosten und unsichere Rahmenbedingungen verschärfen die Situation für private Investoren. Welche politischen Maßnahmen sind notwendig, um Immobilieninvestitionen wieder attraktiver zu machen und Projekte rentabel zu gestalten?
In den letzten drei Jahren gab es weder Stabilität noch Wachstum an den Immobilienmärkten. Wo der Boden schwankt, kann nichts gedeihen. Nach der ersten Verunsicherung durch die abrupten Förderstopps bei den KfW-Programmen folgte die zweite große Verunsicherung mit dem Habeckschen Heizungsgesetz, dem Gebäudeenergiegesetz. Diese und weitere Ereignisse haben die Stimmung derart verschlechtert, dass gerade die kleineren Bauträger, die zum mittelständischen Rückgrat vieler Städte und Regionen gehören, nicht mehr bauen. Manche Bauämter haben seit Monaten keinen Bauantrag mehr gesehen. Es ist eine unglaubliche Verunsicherung, die die zerbrochene Bundesregierung zu verantworten hat. Die nächste Bundesregierung muss genau dies besser machen: Verlässlichkeit schaffen, mit der Immobilienwirtschaft und den Immobilieneigentümern kommunizieren. Das hat gefehlt.
Die Verfügbarkeit von Bauland ist eine zentrale Herausforderung. Wie könnte die öffentliche Hand Bauland effizienter mobilisieren?
Ich beobachte, dass das klassische Einfamilienhaus-Wohngebiet am Stadtrand nicht mehr das Ziel vieler Menschen ist. Auch dafür gibt es noch eine Kundschaft, vermehrt werden aber gemischte Stadtquartiere nachgefragt: Stadthäuser mit kleineren Gärten, Geschosswohnungsbau und öffentlichen Grünflächen. Nicht nur ein Thema fürs Stadtklima, sondern auch für die Naherholung und als Begegnungsorte. Ein Hemmnis für die Baulandentwicklung ist, dass die Kommunen mit ihrer eigenen Infrastruktur nicht hinterherkommen. Aufstellungsbeschlüsse bleiben jahrelang aus, da die für eine wachsende Einwohnerschaft erforderliche Schule oder Kita oder ein Ärztehaus nicht in Betrieb gehen — oft mangels Personal. So warten wir als Projektentwickler oft jahrelang. Zumal die Stimmung bei den dort schon ansässigen Bürgern auch eher ablehnend gegenüber Neubau und Zuzug ist, da man befürchtet, dass der Freiraum knapper wird, die Schulen und Kitas zu voll oder die Arztpraxen zu überlastet. Ein breites kommunales Angebot würde mehr Akzeptanz für das Wachstum einer Stadt schaffen. Es sind ja nicht nur die Bahn oder die Brücken vernachlässigt worden, auch die kommunale Infrastruktur hat gelitten.
Die Novelle des Baugesetzbuchs steht seit Langem aus.
Vieles, was angekündigt war, ist nicht mehr realisiert worden. Bis heute warten wir auf die für 2023 versprochene Baugesetzbuch-Novelle, die unter anderem die leichtere Ausweisung von Bauland in Gewerbegebieten bringen soll. Den entsprechenden Paragrafen 246e hätten wir schon besser vorgestern gebraucht. Es gibt kaum noch das laut lärmende, dreckige Gewerbe wie früher. Wohnen und Arbeiten können wieder näher zusammenrücken, so wie es früher Jahrhunderte auch war. Das Baugesetzbuch ist in vielen Aspekten nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Es muss atmen und sich ständig fortentwickeln, so wie unsere Lebenswirklichkeit.
Auch die Immobilienwirtschaft kämpft mit Personalknappheit und Fachkräftemangel. Welche Strategien können helfen, die Attraktivität der Branche zu steigern?
Unsere Branche braucht mehr Ansehen. Es fängt damit an, dass wir mehr gesellschaftliche Akzeptanz brauchen für Menschen, die sich anstrengen und arbeiten. Auch die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse muss dringend verbessert werden. Und es braucht in unseren Unternehmen eine echte Willkommenskultur für Mitarbeiter. Bei Periskop haben wir großzügig ausgestattete Aufenthaltsbereiche und weitere Angebote, die unseren Mitarbeitern vermitteln: Wir sind froh, dass ihr bei uns seid.
Welche Rolle spielt Digitalisierung und künstliche Intelligenz bereits in der Branche und in Ihrem Unternehmen, der Periskop GmbH?
Bei vielen Routinen setzen wir auf Unterstützung durch künstliche Intelligenz. Diese hilft uns, Prozesse effizienter zu gestalten, beispielsweise in der Bauplanung oder im Facility Management. Dennoch bleibt die menschliche Intelligenz unser wichtigstes Kapital. Digitalisierung eröffnet uns neue Möglichkeiten, birgt aber auch die Verantwortung, den Nutzen für die Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Die nächste große Herausforderung wird es sein, diese Technologien für alle zugänglich zu machen.
Viele Wirtschaftsverbände, darunter der IVD, beteiligen sich an der Kampagne „SOS — Die deutsche Wirtschaft ist in Gefahr“. Was halten Sie von dieser Initiative?
Wenn wir als Wirtschaft nicht mahnen, machen wir einen Fehler. Durch Kampagnen wie diese wird die Öffentlichkeit aufmerksamer auf Fehlentwicklungen. Die Politiker werden dazu gebracht, sich mit den Forderungen der Wirtschaft zu beschäftigen. Es ist gut, dass der IVD für die Immobilienwirtschaft diese wichtige Kampagne mitträgt. Sie zeigt, dass wir als Branche nicht nur Probleme benennen, sondern auch Lösungen einfordern.
Veröffentlicht im AIZ-Immobilienmagazin, AIZ 2 / 2025
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