Jede Wohnung zählt!
Unternehmer berichten aus ihrer Alltagspraxis und über die Hindernisse, die den Wohnungsbau ausbremsen
„Mehr Wohnraum in Deutschland wäre möglich, wenn der politische Wille da wäre, den Weg dafür frei zu machen“, betonte Jürgen Michael Schick, derzeitiger Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland (BID). Das Verbändebündnis hatte Abgeordnete des Deutschen Bundestages und Spitzenvertreter des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung zum Parlamentarischen Abend eingeladen.
Schick versicherte, die Immobilienunternehmer wollten Wohnungen bauen und betreiben – viel mehr, als dies unter den heute obwaltenden Umständen möglich sei. „Es zählt jede einzelne Wohnung, um den Druck von den Märkten zu nehmen.“
Ganz konkrete Einblicke in die Alltagspraxis und die Hindernisse, auf die Unternehmerinnen und Unternehmer der Immobilienwirtschaft stoßen, gab eine Gesprächsrunde:
Rainer Bahr, Geschäftsführer der Berliner econcept Immobilien und Projektentwicklung KG: „Unsere Neubau-Planungen werden so lange auf Eis liegen, bis sich Projekte wieder rechnen. Wir wollen gerne bauen, die aktuelle Situation mit sinkenden Kaufpreisen, hohen Bauzinsen und steigenden Baukosten verhindert das aber. Die Vielzahl von komplexen, sich teilweise widersprechenden Anforderungen und die langwierigen Verfahren im Neubau erschweren ebenfalls das Bauen und führen zu weiteren Kostensteigerungen. Wir müssen runter von den hohen Standards und die Planungsprozesse vereinfachen, dann wäre viel gewonnen.“
Franz-Bernd Große-Wilde, Vorstandsvorsitzender der Spar- und Bauverein eG Dortmund: „Angesichts der Krisensituation aus Preisexplosionen, Zinsanstieg, Fachkräftemangel und staatlichem Förderchaos können wir als Wohnungsgenossenschaft nur noch die Bauprojekte fertigstellen, die wir bereits begonnen haben. Neue Wohnungen können wegen der historisch schlechten Baubedingungen nicht finanziert und errichtet werden. Vor allem deshalb nicht, weil wir als sozial orientierte Genossenschaft Durchschnittsmieten von nur etwas über 5 Euro haben. Bei den aktuell extrem hohen Baupreisen, viel zu wenig staatlicher Förderung und den immer weiter steigenden Anforderungen an den Wohnungsbau lässt sich bezahlbarer Wohnraum so nicht finanzieren. Hinzu kommt, dass der bestehende Wohnraum mit Blick auf die ambitionierten Klimaziele energetisch weiter auf Vordermann gebracht werden muss. Die vorgesehenen Effizienzmaßnahmen an Gebäuden wie beispielsweise Dämmung sind aber extrem teuer. Viel besser wäre es, wenn die Politik auf eine CO2-ärmere Energieversorgung der Gebäude, erneuerbare Energieerzeugung vor Ort als Mieterstrom und auf die Einbeziehung des gesamten Lebenszyklus des Gebäudes statt nur auf teure Einzelmaßnahmen setzen würde. Hier brauchen wir einen Sinneswandel für sinnvollen Klimaschutz im Gebäudebereich.“
Lars von Lackum, Vorstandsvorsitzender der in Düsseldorf ansässigen LEG Immobilien SE: „Wir freuen uns über die Großzügigkeit des Haushaltsgesetzgebers in Bezug auf die deutlich aufgestockten Fördermittel für den geförderten Wohnungsbau. Das ist ein wichtiges Zeichen in herausfordernden Zeiten. Aber: Im aktuellen Umfeld werden diese mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum größten Teil nicht abgerufen, da die Förderkulisse nicht auskömmlich genug gestaltet ist. Die Politik fokussiert sich derzeit bei ihren Entscheidungen auf den falschen Parameter. Der Fokus der Politik sollte nicht auf der Energieeffizienz, sondern auf der Emmissionseffizienz liegen. Die aktuelle Fokussierung führt zu übermäßigen Investitionen in den Gebäudekörper, die prohibitiv teuer sind. Eine viel bessere und kostengünstige Maßnahme besteht in der Beeinflussung des Nutzerverhaltens. An einem plastischen Beispiel: Es gilt, den Mieter zu überzeugen, nicht sein Thermostat auf fünf und gleichzeitig sein Fenster auf „kipp“ zu stellen. Wir haben mit solch einfachen Mitteln im letzten Jahr in einem Testbestand rund acht Prozent einsparen können. Auch mit grüner Wärme lässt sich der CO2-Fussabdruck deutlich schneller und effizienter reduzieren als mit weiterer Dämmung des Gebäudekörpers.“
Sylvia Pruß, Geschäftsführerin der Straußberger Pruß Hausverwaltung e.K.: „Zwischen dem Willen zur Sanierung und der Umsetzung verfließt viel zu viel Zeit. Hier muss der Gesetzgeber tätig werden und das Instrument der reinen Online-Versammlung, die bisher nur durch in der Praxis kaum erreichbare Vereinbarung möglich ist, einführen. Das verschlankt notwendige Kommunikationsprozesse erheblich und ermöglicht die effiziente Herbeiführung von Sanierungsbeschlüssen.“
Sarah Zickler, Geschäftsführerin von Zickler Immobilien in Reutlingen: „Bauträger müssen schneller und effizienter bauen dürfen. Bauwillige werden durch eine Vielzahl von Auflagen und ideologischen Entscheidungen bei der Umsetzung ihrer Bauvorhaben ausgebremst. Obwohl der Bedarf an Wohnraum steigt, hält die Politik am Riegel fest. Dadurch ist die Finanzierbarkeit vieler geplanter Neubauten in Gefahr geraten. Der Pragmatismus muss an Stelle der bürokratischen Verwaltung treten. Gemeinderäte dürfen nicht verhindern, dass ein Bauträger Wohnungen innerhalb des Bebauungsplans errichten kann und soll. Mit einer Vereinfachung der Verfahrensregeln können Investoren ermutigt werden, in den Markt zu investieren und damit neuen Wohnraum zu schaffen.“
Ansprechpartner:in
Bundesverband
Leiter Kommunikation und Pressesprecher