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Stephen Paul im Dialog mit Jan-Hendrick Goldbeck

Jan-Hendrik Goldbeck ist seit 2008 gemeinsam mit seinem Bruder Jörg-Uwe geschäftsführender Gesellschafter der GOLDBECK GmbH, einem der führenden Bau- und Dienstleistungsunternehmen Europas. Unter seiner Führung hat sich das Familienunternehmen mit über 12.000 Mitarbeitern an 100 Standorten und 15 eigenen Werken stark weiterentwickelt. Im Dialog mit dem AIZ-Immobilienmagazin spricht der bekannte Unternehmer über die Notwendigkeit für mehr Effizienz im Regierungshandeln, räumt mit Vorurteilen gegenüber dem seriellen Bauen auf und erklärt, wie es zur Lösung der Wohnraumkrise beitragen kann. Zudem geht er darauf ein, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit der Gebäudetyp E erfolgreich wird.

Die künftige Regierung plant großzügige Schuldenaufnahmen. Welche Auswirkungen hat das auf den Bausektor?

Jan-Hendrick Goldbeck: Die Folgen sind negativ. Schon auf der MIPIM war die Stimmung gedrückt, weil langfristige Finanzierungen teurer werden. Die Inflation könnte weiter steigen, und für viele Unternehmen wird die Refinanzierung zur Existenzfrage. Wer vergangenes Jahr noch mit „Survive till twenty-five“ hoffte, steht nun vor noch größeren Herausforderungen. Gezielte staatliche Investitionen können die Konjunktur stützen – aber nur, wenn sie effizient gesteuert werden. Fehlallokation droht, wenn Geld ohne klare Strategie fließt. Ein Beispiel ist die massive Förderung des Holzbaus, obwohl sein Climate Return on Investment (CROI) oft geringer ist als erwartet. Zudem fehlen die Strukturen zur Umsetzung: Schon jetzt verzögern lange Genehmigungsverfahren den Wohnungsbau erheblich. Werden nun zusätzlich Hunderte Milliarden investiert, droht ein Genehmigungskollaps.

Macht die Politik den zweiten Schritt vor dem ersten?

Ja, eindeutig. Bevor mehr Geld ausgegeben wird, müssen zuerst die Strukturen reformiert werden. Nur wenn Prozesse effizient sind, kann staatliches Investitionskapital wirklich wirken. Ich befürchte, dass eine großzügige Verschuldung den Druck für notwendige Reformen mindert – denn wenn das Geld leicht verfügbar ist, fehlt oft der Anreiz zur Modernisierung.

Angenommen, Sie wären Bauminister. Was wäre Ihre erste Maßnahme?

Wir brauchen dringend ein bundesweites digitales Baugenehmigungssystem mit einer professionellen Eingabemaske, einer verlässlichen Vorprüfung und einer schnellen finalen Entscheidung. Dazu gehört eine einheitliche Bauordnung – der Flickenteppich aus 16 Landesbauordnungen ist ein Relikt vergangener Zeiten. Zudem würde ich den Climate Return on Investment (CROI) für Bauprojekte messbar machen. Die zentrale Frage lautet: Wie viel Klimaschutz bekomme ich für jeden investierten Euro? Statt ideologisch geprägter Maßnahmen brauchen wir faktenbasierte, verlässliche Bewertungsregeln. Am Ende wird ohnehin der CO₂-Preis entscheiden, den die EU in zwei Jahren verbindlich festlegt

Der Gebäudetyp E soll den Wohnungsbau erleichtern. Ist das eine echte Lösung oder nur Symbolpolitik?

Wir sind in die Erarbeitung des Gebäudetyps E auf Bundesebene eingebunden. Entscheidend ist, dass er nicht Theorie bleibt, sondern in Pilotprojekten – etwa auf einem BIMA-Grundstück – getestet wird. Die Bestellung von Alexander von Erdély als BIMA-Vorstandssprecher gibt Hoffnung, dass dort konkrete Projekte angestoßen werden. Wichtig ist, dass der Markt den Gebäudetyp E annimmt. Investoren müssen den reduzierten Standard akzeptieren, und Referenzobjekte sind essenziell, um die Branche zu überzeugen und den Ermessensspielraum der kommunalen Genehmigungsbehörden zu erweitern. Denn ob ein solches Projekt letztlich in Recklinghausen oder Plauen realisiert wird, hängt nicht allein von bundespolitischen Absichtserklärungen ab, sondern von der Umsetzbarkeit vor Ort.

Kann serielles Bauen dazu beitragen, dass Bauen und Wohnen wieder günstiger wird?

Ja, denn serielle Bauweise ist die Industrialisierung des Bauens mit standardisierten Verfahren – ein Prinzip, das seit über 200 Jahren unseren Lebensstandard prägt. Während Mobilien wie Autos längst industriell gefertigt werden, galten Immobilien lange als handwerkliche Einzelstücke. Doch auch im Bauwesen bringt Systematisierung Vorteile: niedrigere Kosten, hohe Qualität und schnellere Fertigung. Für viele Bauprojekte in Deutschland ist das nicht nur sinnvoll, sondern notwendig – und ein Gewinn für Bauherren, Mieter und die Branche.

Lässt sich standardisiertes Bauen mit individueller Architektur kombinieren?

Absolut. Von außen ist nicht erkennbar, ob strukturelle Elemente seriell gefertigt wurden. Unsere mit Architekturpreisen ausgezeichneten Gebäude zeigen, dass systematisierte Bauteile hochwertig gestaltet werden können. Viele renommierte Architekten wie RKW, HPP oder Albert Speer arbeiten mit uns zusammen. Individuelle Wünsche lassen sich problemlos umsetzen – selbst abgerundete Ecken, vergleichbar mit Lego-Sonderbausteinen.

Viele Bauprojekte liegen derzeit auf Eis. Wie schafft es GOLDBECK, dennoch zu bauen?

Wohnungsbau rechnet sich – wenn man es richtig macht. Wir kalkulieren bereits mit einem Brutto-Preis ab 2.000 Euro pro Quadratmeter Mietfläche. Neben der seriellen Bauweise sind drei Faktoren entscheidend: Erstens muss das Grundstück so geplant werden, dass die Baukörper optimal angeordnet sind. Zweitens muss der Grundstückspreis dem aktuellen Marktwert entsprechen. Drittens stehen viele Projekte in den Bilanzen von Bauträgern und Banken noch mit den überhöhten Werten von 2022. Werden diese realistisch angepasst, passen die Zahlen wieder.

Ist Beton bald out? GOLDBECK will in den 2030er Jahren „naturpositiv“ bauen – was bedeutet das konkret?

Wir wollen kein grünes Premium, sondern nachhaltiges Bauen wettbewerbsfähig machen. Dazu setzen wir auf CO₂-neutralen Beton und entwickeln Verfahren, um CO₂ dauerhaft einzulagern – mit Potenzial zur CO₂-Negativbilanz. Statt Klima-Prestigeprojekten sollte die Bundesregierung gezielt Forschung fördern. Zudem sollen unsere Gebäude mehr Energie erzeugen, als sie verbrauchen, etwa durch Photovoltaik. Und wir nutzen Einsparungen durch serielle Bauweise für ökologische Maßnahmen, sodass Neubauten einen höheren ökologischen Wert haben als die ursprüngliche Fläche.

Sie führen das Unternehmen gemeinsam mit Ihrem Bruder Jörg-Uwe Goldbeck. Wie teilen Sie die Verantwortlichkeiten auf?

Wir sind beide geschäftsführende Gesellschafter und teilen die Aufgaben nach unseren Stärken. Jörg-Uwe fokussiert sich auf interne Themen wie Finanzen, Risikobewertung und Personal, während ich den Vertrieb unterstütze, Innovationen vorantreibe und unser Geschäft international entwickle. Diese Aufgabenteilung ergänzt sich ideal und stärkt das Unternehmen.

Ihr Bruder ist Vorstandsvorsitzender von Bethel. Auch Sie engagieren sich gesellschaftlich, insbesondere über die von Ihrem Vater gegründete Goldbeck Stiftung. Welche Impulse möchten Sie als Unternehmer setzen?

Die Starken in unserer Gesellschaft müssen Verantwortung übernehmen. Wir fördern junge Menschen mit Stipendien und unterstützen wissenschaftliche Initiativen wie die Stiftungsprofessur „Führung von Familienunternehmen“ an der Universität Bielefeld und eine Juniorprofessur für Digital Engineering am KIT. Mit Aurum Impact investieren wir in Start-ups, die ökologische und soziale Herausforderungen angehen. Zudem habe ich die ReAct-Initiative gegründet, um den Dialog zwischen Wirtschaft und Politik zu stärken und konkrete Projekte umzusetzen. Allerdings wird oft vergessen, dass unternehmerisches Engagement erst möglich ist, wenn vorher die wirtschaftliche Grundlage geschaffen wurde – ein Aspekt, den manche Politiker links der Mitte gerne übersehen.

Veröffentlicht im AIZ-Immobilienmagazin, AIZ 4 / 2025

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