Lieferung von Mieterstrom an Wohnungsmieter ist eine selbständige Hauptleistung
Die Lieferung von Mieterstrom an Wohnungsmieter stellt eine selbständige Hauptleistung neben der steuerfreien Vermietungsleistung dar, so dass die Umsatzsteuer aus der Anschaffung der Photovoltaikanlagen als Vorsteuer abziehbar ist. Dies ergibt sich auch aus der gesetzlichen Regelung des § 42a Abs. 2 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG).
Abweichung von Abschn. 4.12.1. Abs. 5 Satz 3 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses
Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 07.12.2023 (V R 15/21, BStBl. II 2024, 503) betr. Vorsteuerabzug für die Lieferung einer Heizungsanlage
BFH Urt. v. 17.7.2024, Az. XI R 8/21
Der Fall
Der Kläger hat im Jahre 2018 auf einem umsatzsteuerfrei vermieteten Mehrfamilienhaus eine Photovoltaikanlage einschließlich eines Batteriespeichers installieren lassen. Für die Photovoltaikanlage wurden zwei Messungen verbaut. Die erste Messung erfasst die Gesamtproduktion des Stroms. Der erzeugte Strom, der direkt über den Batteriespeicher an die Mieter fließt, läuft über eine entsprechende Messung. Der überschüssige Strom wird an die N-GmbH geliefert. Der gegebenenfalls von den Mietern zusätzlich benötigte Strom (Reststrom) wird im Namen und im Auftrag des Klägers über die E-GmbH beziehungsweise G-AG bezogen und mit einem Gewinnaufschlag an die Mieter abgegeben. Der Kläger rechnet mit den Mietern nach der jeweiligen Verbrauchsmenge ab. Er hat eine „Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag über Stromversorgung“ geschlossen, wonach der Stromlieferungsvertrag mit einer Frist von vier Wochen zum Monatsende gekündigt werden kann.
In seiner Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat Dezember 2018 machte der Kläger, Vorsteuern aus der Anschaffung der Photovoltaikanlage geltend. Das Finanzamt ließ den Vorsteuerabzug nicht zu, da es sich bei der Stromlieferung um eine unselbständige Nebenleistung zur umsatzsteuerfreien Wohnraumvermietung handele. Das Niedersächsische Finanzgericht gab der Klage statt (EFG 2021, 883). Die hiergegen vom Finanzamt eingelegte Revision wies der BFH mit Urteil vom 17.7.2024 zurück.
Die Entscheidung des BFH
Nach der Entscheidung des BFH stellt die Lieferung von Mieterstrom an Wohnungsmieter eine selbständige Leistung neben der steuerfreien Vermietungsleistung dar, so dass die Umsatzsteuer aus der Anschaffung der Photovoltaikanlage als Vorsteuer abziehbar ist. Als unselbständige Nebenleistung ist eine Leistung insbesondere dann anzusehen, wenn sie für die Kunden keinen eigenen Zweck hat, sondern das Mittel ist, um die Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.
Die den Mietnebenkosten zugrundeliegenden Leistungen stellen selbständige Leistungen dar, wenn der Mieter über ihren Verbrauch entscheiden kann, dies durch individuelle Zähler kontrolliert wird und die Kosten in Abhängigkeit von dem Verbrauch abgerechnet werden. Daher sind die Zurverfügungstellung von Wasser, Elektrizität oder Wärme, über deren Verbrauch der Mieter entscheiden kann und die durch die Anbringung von individuellen Zählern kontrolliert und in Abhängigkeit des Verbrauchs abgerechnet werden, grundsätzlich als von der Vermietung getrennt anzusehen (BFH-Urteil vom 11.11.2015 – V R 37/14, BFHE 251, 517, BStBl. II 2017, 1259, Rz 19).
Im vorliegenden Fall sind diese Voraussetzungen durch die vertragliche Vereinbarunge erfüllt. Unabhängig davon ergibt sich die Freiheit des Mieters, seinen Stromlieferanten frei zu wählen, auch aus gesetzlichen Vorschriften. Denn § 42a Abs. 2 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) bestimmt ausdrücklich ein Kopplungsverbot von Miet- und Energieversorgungsvertrag. Nach § 42a Abs. 2 Satz 1 EnWG darf ein Vertrag über die Belieferung von Letztverbrauchern mit Mieterstrom (Mieterstromvertrag) nicht Bestandteil eines Vertrags über die Miete von Wohnräumen sein. Bei einem Verstoß gegen dieses Verbot ist der Mieterstromvertrag nichtig (§ 42a Abs. 2 Satz 2 EnWG). Nach § 42a Abs. 3 Satz 3 EnWG in der im Streitjahr geltenden Fassung ist eine Bestimmung, durch die das Kündigungsrecht während der Dauer des Mietverhältnisses ausgeschlossen oder beschränkt wird, unwirksam.
Angrenzung zur Entscheidung über den Einbau einer Heizungsanlage
Mit Urteil vom 7.12.2023 (VI R 15/21, BStBl. II 2024, 503) hat der BFH entschieden, dass die Kosten für den Einbau einer neuen Heizungsanlage nicht als Vorsteuern abgezogen werden können. Der Unterschied beruht darauf, dass die als Betriebskosten auf den Mieter umgelegten Heizkosten kein Entgelt für den Einbau der Heizungsanlage sind, sondern nur für deren Betrieb.
Hinweis
Seit dem 1.1.2023 gilt für die Lieferung und die Installation einer Photovoltaikanlage auf einem Wohngebäude gem. § 12 Abs. 3 UStG ein Umsatzsteuersatz von Null. In Neufällen stellt sich deshalb die Frage nach dem Vorsteuerabzug nicht. Relevant ist die Entscheidung nur noch für die Fälle, in denen § 12 Abs. 3 UStG nicht eingreift. Dabei handelt es sich insbesondere um Fälle, in denen die Anlage auf einem Gewerbeobjekt installiert wird, für das der Vermieter nicht zur Umsatzsteuer optiert hat. Außerdem ist das Urteil für Fälle relevant, in denen die Anlage auf einer Freifläche installiert ist, auf der sich keine Wohnung oder ein sonstiges begünstigtes Gebäude befindet. Denn auch in diesem Fall gilt der Nullsteuersatz des § 12 Abs. 3 UStG nicht.
von Hans-Joachim Beck
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