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Im Dialog mit Gitta Connemann MdB

Im Geiste Ludwig Erhards, des Vaters der sozialen Marktwirtschaft und des deutschen Wirtschaftswunders, arbeitet heute Gitta Connemann. Die Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) gehört seit 22 Jahren dem Deutschen Bundestag an und ist eine bekannte Stimme für die deutsche Mittelschicht in der Öffentlichkeit. Geboren auf einem Hof in Ostfriesland, ist die Juristin ihrer Heimat treu geblieben. Ihre Bodenständigkeit kommt auch in einem guten Verständnis regionaler Lebensverhältnisse und der mittelständisch geprägten Immobilienwirtschaft zum Ausdruck.

AIZ-Immobilienmagazin: Welchen persönlichen Bezug haben Sie zu Immobilien?

Gitta Connemann: Ich war immer dankbar, ein Dach über dem Kopf zu haben. Zunächst lebte ich zur Miete, heute bin ich selbst Eigentümerin. Immobilien sind eine unverzichtbare Vorsorge fürs Alter. Die größte Sicherheit, die Menschen haben können, sind die eigenen vier Wände – ein eigenes Haus oder eine eigene Wohnung. Das erklärt übrigens auch die Erschütterung, die das „Heizungsverbotsgesetz“ ausgelöst hat. Das Habeck´sche Ungetüm legte die Axt an die Sicherheit für das Alter – eben die eigenen vier Wände. Menschen, die fürs Alter mit einer Immobilie vorgesorgt hatten und jetzt schon im Rentenbezug sind, standen plötzlich vor der Situation, nicht geplante Kredite aufnehmen zu müssen. Schulden, die sie im Laufe ihres Lebens wohl nicht mehr zurückzahlen würden können. Das hat Angst ausgelöst. Und viel Vertrauen in die Politik gekostet. Nicht umsonst heißt es: My home is my castle. Immobilien sind mehr als Stein und Beton. Sie bieten einen Ort der Zuflucht, der Sicherheit und stehen für Heimat. Gerade in ländlichen Regionen wie bei mir zu Hause gehört das Häuschen einfach zum Leben dazu. Und schließlich stehen hinter Immobilien immer auch Gesichter. Von Eigentümern, Mietern, Bauherren, Handwerkern und nicht zuletzt von Maklern und Verwaltern.

Welchen Eindruck haben Sie von der Immobilienwirtschaft?

Die Branche fasziniert mich durch ihre Vielseitigkeit, den Schulterschluss von Können und Kreativität. Die Unternehmen sind bereit, ins Risiko zu gehen und Verantwortung zu schultern. Dazu gehören Mut und die Bereitschaft zur Leistung. Damit gestaltet die Immobilienwirtschaft nicht nur be- und gebaute Umgebung. Sie prägt auch unsere Gesellschaft, wenn sich zum Beispiel ein Investor entschließt, ein Wohnquartier zu bauen, eine Fußgängerzone aus ihrem Dornröschenschlaf zu holen oder historische Substanz zu sanieren. Dabei vereinen sich unternehmerischer Mut, Ideenreichtum und der Wille zur Gestaltung. Die Immobilienunternehmen legen es nicht auf Subventionen an. Sie wünschen sich Planungssicherheit. Und der Staat soll sie einfach machen lassen. So erlebe ich es auch bei uns vor Ort in Ostfriesland und im Emsland, Das ist Mittelstand im besten Sinne.

Geht die Politik mit Immobilienunternehmern und Hauseigentümern richtig um?

Wohnen ist ein existentielles Grundbedürfnis. Ohne die Branche könnte der Bedarf überhaupt nicht mehr gestillt werden. Diese Leistung sollte Anerkennung erfahren. Wer für die vier Wände sorgt, darf Respekt und Vertrauen erwarten. Aber diese Erwartung wird immer wieder enttäuscht. Die Immobilienwirtschaft wird wie der Rest der Wirtschaft mit Vorgaben überzogen. Regulierung ist das Gegenteil von Freiheit und Vertrauen, sondern Ausdruck von Misstrauen. Diese Überregulierung in Verbindung mit der fehlenden Planungssicherheit führt zu Verärgerung und Frustration. Wenn dann noch Verunglimpfungen als „Miethai“ oder „Heuschrecke“ dazukommen, ist die Schmerzgrenze erreicht. Es wäre fair, wenn manche Medien und Schreihälse endlich ihre Hausaufgaben machen würden: das Gros der Wohnungen wurde bislang von privaten Investoren gebaut – zur Selbstnutzung oder um durch die Vermietung eine Einnahme fürs Alter zu haben.

Aus der Krise im Wohnungsbau ist eine soziale Frage geworden, die zunehmend laut gestellt wird. Wie groß ist die Mitschuld der Politik daran?

Bauen und Sanieren ist zu teuer, zu kompliziert und zu langsam geworden. Es gibt natürlich auch hausgemachte Probleme der Betriebe. Und mit etlichen Standards z.B. im Brand- oder Schallschutz hat der Gesetzgeber nichts zu tun. Ich sage nur DIN. Überzogene Auflagen haben das Bauen verteuert. Zu den Erstellungskosten einer deutschen Sozialwohnung wird in anderen europäischen Ländern Premium gebaut. Da stimmen die Verhältnisse nicht mehr! Ich habe dazu gerade eine Ausarbeitung beim Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages in Auftrag gegeben. Darin geht es um einen Rechtsvergleich zwischen den Bauvorschriften in Deutschland mit denen in den Niederlanden.

Aber auch die Politik trägt in meinen Augen eine gehörige Teilschuld an der Krise. Wer wie die Ampel über Nacht eine KfW-Förderung streicht, die bereits eingepreist war, verunsichert Investoren und Bauherren. Der urplötzliche Förderstopp ließ Finanzierungen platzen. Bauvorhaben wurden nicht mehr realisiert. Der Entwurf für das „Heizungsverbotsgesetz“ aus dem Hause Habeck war Ideologie pur. Es drohte ein Austausch- und Sanierungszwang. Während es den Grünen nicht gelang, in ihre Parteizentrale eine Wärmepumpe einbauen, wollten sie dies jedem privaten Hauseigentümer vorschreiben. Egal, ob es passt. Egal, ob es geht. Selbst nach den Änderungen spart es kaum CO2, überlastet aber Hauseigentümer und Mieter. Deshalb muss es rückabgewickelt werden. Zuletzt wurde die Förderung der Energieberatung kurzfristig gestrichen. Selbstkritisch gestehe ich aber ein, dass die CDU/CSU es leider auch nicht geschafft hat, Genehmigungs- und Planungsverfahren zu beschleunigen.

Hinzu kommt die Angst vor der Entscheidung – auch in den Behörden. Gerade im Baurecht hat die Verwaltung eigene Entscheidungsspielräume. Aber von dem Ermessen wird zunehmend weniger Gebrauch gemacht. Die Angst, Fehler zu machen, lähmt. In Verbindung mit Personalknappheit kann das dann dazu führen, dass schon eine Bauvoranfrage monatelang auf sich warten lässt.

Sehen Sie durch die Krise des Wohnungsbaus den sozialen Zusammenhalt gefährdet?

Immobilien haben nicht nur einen materiellen Wert. Sie sind Teil des Aufstiegsversprechens. Schon der Architekt der Sozialen Marktwirtschaft Ludwig Erhardt sprach von „Wohlstand für alle“. Wer fleißig ist, sollte es besser haben. Dazu gehörte auch die Hoffnung auf die eigenen vier Wände. Wenn sich immer mehr Menschen diesen Traum nicht erfüllen können, fehlt ein wesentlicher Leistungsanreiz. Wenn Wohneigentum wieder Allgemeingut werden soll, muss ich dies als eigene Säule in der Altersvorsorge absichern – auch als Schutz vor steigenden Mieten und wirtschaftlicher Unsicherheit. Leistung muss sich lohnen.

Dann müsste es Sie doch ärgern, dass auch die CDU-geführten Bundesländer bei der Entlastung von der Grunderwerbsteuer nicht richtig mitmachen?

Ja, das ärgert mich. Natürlich ist es nicht neu, dass sich Bund und Länder den Schwarzen Peter zuschieben. Keiner will die Kosten tragen. Aber es gibt überragende Interessen, die nicht an Ländergrenzen Halt machen. Die Wohnungsfrage hat das Zeug, unsere Gesellschaft zu spalten. Beispielsweise zwischen dem Bürgergeldempfänger und dem Arbeitnehmer. Zwischen denen, die eine Wohnung haben und gegen Neubauprojekte Stimmung machen, und denen, die eine Unterkunft für sich suchen. Das beste Beispiel hier in Berlin ist das Tempelhofer Feld, das zumindest teilweise bebaut werden könnte.

Welche Vorschläge macht die MIT, um die Wohneigentumsbildung anzukurbeln?

Auf unserer Agenda stehen die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, für das erste selbstgenutzte Haus ein Verzicht auf die Grunderwerbsteuer, ein Baukostenmoratorium und vieles mehr. Unsere Vorschläge erarbeiten wir in der MIT im engen Austausch von Wirtschaft und Politik. Denn zu unseren Mitgliedern gehören Mittelständler, Abgeordnete, Leistungsträger. In unserem Präsidium engagieren sich zum Beispiel ein Bauunternehmer, eine Dachdeckerin und ein Steinmetz. Unser Grundsatz lautet: Politik und Wirtschaft reden nicht übereinander, sondern miteinander. Als MIT-Bundesvorsitzende ist es meine Aufgabe, dem Mittelstand eine Stimme zu geben. Das ist in unser aller Interesse. Denn von den 3,3 Millionen Betrieben in Deutschland sind ca. 98 Prozent kleine und mittlere. Diese sind mit ihren Mitarbeitern das Rückgrat unseres Landes. Die Politik sollte dieses nicht brechen sondern pflegen.

Veröffentlicht im AIZ-Immobilienmagazin, AIZ 10 / 2024

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