BFH, Urteil v. 05.12.2024 – V R 16/22
Gesetze: UStG § 14c Abs. 1 Satz 1; MwStSyStRL Art. 203; BGB § 566; BGB § 578; ZVG § 57
Leitsätze
- Die Inanspruchnahme der in einer Rechnung als Aussteller bezeichneten Person nach § 14c Abs. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) setzt voraus, dass diese an der Erstellung der Rechnung mitgewirkt hat oder dass ihr die Ausstellung anderweitig nach den für Rechtsgeschäfte geltenden Regelungen, zu denen auch das Recht der Stellvertretung gehört, zuzurechnen ist.
- Ein vom Voreigentümer veranlasster unrichtiger Steuerausweis im Sinne des § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG kann dem Grundstückserwerber nicht nach § 566 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zugerechnet werden.
Der Fall
Die Klägerin erwarb im Jahr 2013 ein Grundstück im Wege der Zwangsversteigerung. Bei dem Erwerb bestanden unter anderem Mietverträge mit einer Tagesklinik, einer Physiotherapiepraxis sowie einer Wohnungsbaugesellschaft. In den Mietverträgen wurde Umsatzsteuer auf die Nettokaltmieten offen ausgewiesen. In ihren Umsatzsteuererklärungen behandelte die Klägerin die Mieteinnahmen als umsatzsteuerfrei.
Aufgrund einer Betriebsprüfung setzte das Finanzamt gemäß § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG Umsatzsteuer für die Mieten fest, da die Umsatzsteuer in den Mietverträgen offen ausgewiesen war.
Das Finanzgericht wies die Klage ab, da die Klägerin durch den Eigentumsübergang in die Mietverträge eingetreten sei und sich den Ausweis der Umsatzsteuer zurechnen lassen müsse.
Die Entscheidung des BFH
Der BFH hat der Revision der Klägerin stattgegeben und das Urteil des Finanzgerichts aufgehoben.
Zur Begründung führte er Folgendes aus:
Nach § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG schuldet der Unternehmer, der in einer Rechnung einen höheren Steuerbetrag ausweist, als er nach dem Gesetz schuldet (unrichtiger Steuerausweis), den Mehrbetrag. Schuldner der unrichtig ausgewiesenen Steuer ist nach § 13a Abs. 1 Satz 1 UStG der Unternehmer. Gemäß Art. 203 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) ist dies derjenige Unternehmer, der die Steuer ausgewiesen hat.
Die Anwendung des § 14c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG setzt voraus, dass die Rechnung auf den Namen des leistenden Unternehmers lautet und dass dieser an der Ausstellung der Rechnung mitgewirkt hat. Außerdem kommt eine Anwendung des § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG in Betracht, wenn dem Unternehmer die Ausstellung der Rechnung nach den für Rechtsgeschäfte geltenden Regelungen zuzurechnen ist (BFH, Urteile vom 7. April 2011 – V R 44/09 und vom 17. August 2023 – V R 3/21).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die Klägerin hat die Umsatzsteuer nicht selbst unrichtig ausgewiesen, da die Mietverträge vom Voreigentümer im eigenen Namen abgeschlossen wurden und lediglich nach § 566 Abs. 1 BGB auf die Klägerin übergegangen sind.
Eine Zurechnung des unrichtigen Umsatzsteuerausweises aufgrund des Rechtsgedankens des § 566 Abs. 1 BGB ist nicht gerechtfertigt. Zwar tritt nach § 57 ZVG in Verbindung mit § 566 Abs. 1 BGB im Zwangsversteigerungsverfahren der Ersteher anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein. Diese Regelung dient jedoch dem Schutz des Mieters und muss als Ausnahmeregelung eng ausgelegt werden. Die Regelung in § 566 Abs. 1 BGB kann daher nicht als allgemeine Zurechnungsvorschrift verstanden werden, nach der ein vom Voreigentümer veranlasster unrichtiger Steuerausweis dem Grundstückserwerber zuzurechnen ist.
Zum einen dient § 14c UStG nicht dem Mieterschutz. Zum anderen gehört ein unrichtiger Steuerausweis nicht zu den Vermieterrechten und -pflichten, auf die diese Vorschrift gerichtet ist.
Auch aus § 1 Abs. 1a UStG ergibt sich keine Anwendbarkeit des § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG. Zwar tritt bei einer Geschäftsveräußerung im Ganzen (GiG) im Sinne des § 1 Abs. 1a UStG der Erwerber des Unternehmens an die Stelle des Veräußerers. Die Behandlung des Erwerbers als Rechtsnachfolger des Übertragenden bezieht sich jedoch nur auf den übertragenen Gegenstand. Ein unrichtiger Steuerausweis in den Mietverträgen gehört jedoch nicht zu den übertragenen Wirtschaftsgütern.
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