Mit seiner Ideensammlung „100 Vorschläge für einen Neustaat“ hat der Gütersloher Bundestagsabgeordnete Ralph Brinkhaus (57) die Staatsreformdebatte neu belebt. Der frühere Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist heute Sprecher der Arbeitsgruppe „Digitales und Staatsmodernisierung“ und einer der treibenden Köpfe hinter der Modernisierungsagenda der Bundesregierung. Im Dialog mit diesem Magazin erläutert er, warum Verwaltung und Politik mehr Tempo brauchen und wie ein effizienter Staat Wohnungsbau, Eigentum und Vertrauen stärken kann.
AIZ-Immobilienmagazin: Sie haben mit Ihren „100 Vorschlägen für einen Neustaat“ eine Sammlung von Ideen zur Reform des Staates vorgelegt. Was hat Sie dazu bewegt?
Ralph Brinkhaus: Die meisten Reformvorschläge liegen seit Jahren auf dem Tisch. Ich habe sie nur zusammengeführt, weil mir wichtig war zu zeigen: Wir wissen längst, was getan werden muss. Bürokratie ist das Symptom einer falschen Funktionsweise des Systems. Politik und Verwaltung arbeiten nicht ziel- und wirkungsorientiert, priorisieren die Ziele nicht und haben zu wenig Mut zu klarer Verantwortung. Wir haben viele gute Leute im öffentlichen Dienst, aber wir müssen auch gut mit ihnen umgehen. Führungskultur und Vertrauen sind entscheidend. Wenn wir diese Kultur ändern, erledigt sich vieles andere von selbst.
„Überbordende Bürokratie ist das Symptom einer falschen Funktionsweise des Systems.“
Inzwischen ist ja Bewegung in die Sache gekommen: Die Bundesregierung hat Anfang Oktober 2025 eine Modernisierungsagenda für Staat und Verwaltung beschlossen.
Ja, das war überfällig. Die Agenda enthält rund 80 Einzelmaßnahmen und wurde am 17. Oktober im Bundestag beraten. Viele der dort genannten Punkte – etwa Ziel- und Wirkungsorientierung, digitale Verfahren und ein Praxistest für neue Gesetze – entstammen meiner Sammlung „100 Vorschläge für einen Neustaat“. Entscheidend ist jetzt die Umsetzung. Wir brauchen endlich Tempo, Verlässlichkeit und Vertrauen in staatliches Handeln.
Was heißt das konkret, etwa für Bau- und Genehmigungsverfahren?
Wir müssen die Verfahren selbst prüfen: Was ist wirklich nötig, was kann entfallen? Was bleibt, sollte vollständig digitalisiert und – wo möglich – durch künstliche Intelligenz unterstützt werden. Dazu gehört auch eine Genehmigungsfiktion: Wenn eine Behörde nicht fristgerecht entscheidet, gilt der Antrag als genehmigt. Und wir müssen die untergesetzliche Regulierung entschlacken. Viele Hürden entstehen gar nicht durch Gesetze, sondern durch technische Normen. Die Vielzahl solcher Standards bremst oft Innovation.
Wie steht es um die Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Kommunen?
Der Bund mischt sich oft zu stark ein. Förderprogramme oder Bauvorschriften sollten viel stärker vor Ort entschieden werden. Wohnungsbauförderung in Hamburg ist etwas völlig anderes als in Mecklenburg-Vorpommern. Föderalismus heißt, Verantwortung zu übernehmen, nicht sie weiterzureichen. Gleichzeitig müssen wir prüfen, welches Landesrecht wirklich sein muss und wo Vereinheitlichung sinnvoll wäre – etwa bei Bauordnungen oder Genehmigungsstandards.
Sie warnen davor, dass mangelnde Reformfähigkeit das Vertrauen in den Staat untergräbt.
Ja, und das ist gefährlich. Menschen verlieren Vertrauen, wenn sie das Gefühl haben, dass der Staat sich selbst im Weg steht. Wir müssen schneller, einfacher und digitaler werden – und vor allem Vertrauen statt Kontrolle zum Prinzip machen. Kontrolle darf Ausnahme sein, nicht Grundlage des Verwaltungshandelns.
Die wohnungspolitische Debatte dreht sich meist um die Metropolen. Doch gerade ländliche Regionen stehen im Wettbewerb um Fachkräfte.
Absolut. Wohnraum ist ein Standortfaktor – überall, und vielleicht sogar einer der wichtigsten. Wenn eine Region gutes und bezahlbares Wohnen bietet, zieht sie Menschen an. Ländliche Räume sollten das als Wettbewerbsvorteil begreifen. Wohnraumpolitik ist damit auch Wirtschaftspolitik. Wer Fachkräfte gewinnen will, muss ihnen die Möglichkeit geben, sich niederzulassen und Wohneigentum zu bilden.
Programme wie „Jung kauft Alt“ zeigen, dass gute Ideen an zu hohen Auflagen scheitern. Was wäre Ihr Ansatz?Was wäre Ihr Ansatz?
Ich bin kein Freund von immer neuen Förderprogrammen. Wir machen auf der einen Seite Förderprogramme, nehmen den Menschen auf der anderen Seite das Geld aber gleich wieder weg – das ist linke Tasche, rechte Tasche. Wir sollten es einfach machen: Jeder Bürger sollte einmal im Leben einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer bekommen – für selbstgenutztes Wohneigentum. Das wäre gerecht, nachvollziehbar und wirksam. Zugleich müssen wir andere Nebenkosten des Eigentumserwerbs senken. In Zeiten von Künstlicher Intelligenz und digitaler Verwaltung sollten Standardvorgänge bei Notaren und Verwaltungen keine mehrere Hundert Euro Gebühren mehr verursachen.
Zum Schluss: Wo stehen wir beim sogenannten Bauturbo?
Der Turbo für den Wohnungsbau ist vom Deutschen Bundestag am 9. Oktober 2025 beschlossen worden. Jetzt liegt es an den Kommunen, das neue Instrument auch wirklich zu nutzen. Der Bund schafft die Rahmenbedingungen – umgesetzt werden muss es vor Ort. Und grundsätzlich: Das Thema Wohnen wird politisch unterschätzt. Wir verbringen einen Großteil unseres Lebens damit. Wenn Politik den Alltag der Menschen verbessern will, muss sie hier anfangen.
Veröffentlicht im AIZ-Immobilienmagazin, AIZ 11/ 2025
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