Christian Lindner (FDP) im Gespräch mit AIZ-Chefredakteur Stephen Paul
Im Dialog mit Christian Lindner MdB
Die Bundestagswahl am 23. Februar markiert einen entscheidenden Wendepunkt für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Nach Jahren zunehmender Bürokratie, schleppender Reformen und wachsender Verunsicherung in zentralen Wirtschaftsbereichen steht viel auf dem Spiel. Der Immobilienverband Deutschland IVD hat klare Erwartungen und Forderung an die Bau- und Wohnungspolitik der künftigen Regierung formuliert. Außerdem trägt der IVD die bundesweite SOS-Kampagne der deutschen Wirtschaft mit, die auf die Notwendigkeit einer sofortigen Wirtschaftswende hinweist.
Der Bundesvorsitzende der FDP, Christian Lindner MdB, teilt die Sorge um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Mit seinem „Wirtschaftswende-Papier“ hatte Lindner noch als Finanzminister eine Agenda skizziert, die er für den wirtschaftspolitischen Neustart für erforderlich hält. Nach dem Bruch der Ampel-Koalition tritt der 45-Jährige erneut als Spitzenkandidat seiner Partei an. Sein erklärtes Ziel ist es, Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit durch eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik, umfassende Strukturreformen und die Förderung des Unternehmertums zu sichern.
Im Dialog mit dem Kommunikationsleiter des IVD und Chefredakteur des AIZ-Immobilienmagazins, Stephen Paul, geht Lindner auf die aktuellen Herausforderungen der Immobilienwirtschaft ein und zeigt, wie die Politik den Wohnungsbau, die Bildung von Wohneigentum und die Mobilität im Wohnungsmarkt erleichtern kann.
AIZ-Immobilienmagazin: Wenn Sie selbst eine Immobilie kaufen würden – worauf würden Sie besonders achten?
Christian Lindner: Ausdrücklich sehe mich nicht als Immobilienexperte, aber Lage und energetischer Standard sind wichtige Kriterien.
Sie wurden quasi über Nacht vom Finanzminister zum Oppositionspolitiker. Fühlen Sie sich wie ein Unternehmensgründer nach einer gescheiterten Finanzierungsrunde?
Für Startup-Vergleiche bin ich zu haben, aber hier liegen die Dinge anders. Wir haben einiges erreicht. Ich nenne beispielhaft nur die stabilitätsorientierte Finanzpolitik, die zur Inflationsbekämpfung beigetragen und damit die Zinswende möglich gemacht hat. Das war für die Immobilienbranche wichtig. Für jeden offensichtlich war aber, dass Rot-Grün und FDP keine gemeinsame Position zur notwendigen Wirtschaftswende erarbeiten konnten. Deshalb ist es folgerichtig, dass nun Neuwahlen kommen. Die FDP ist überzeugt, dass wir das Erwirtschaften des Wohlstands wichtiger nehmen müssen als das Verteilen.
Sie haben Scheitern als Teil des Unternehmertums und als „dornige Chancen“ beschrieben – Rückschläge, die langfristig wertvolle Lektionen sein können. Sollten Fehler und Insolvenzen entstigmatisiert werden, um das Unternehmertum zu fördern?
Mir sind Unternehmer lieber als Unterlasser. Wer ins Risiko geht, kann aber nicht immer gewinnen. Also muss es mehr Anerkennung bei Erfolg statt Neid geben. Und eine zweite Chance statt Häme, wenn ein Vorhaben nicht gelingt.
Welche Lehren ziehen Sie als „entlassener“ Minister für Ihren politischen Neustart?
Entlassen worden bin ich ja aus Gründen. Weil ich überzeugt bin, dass wir einen Agenda-Moment brauchen, also eine Neuausrichtung der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Deutschland hat schließlich seit 2014 jedes Jahr an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Ferner bin ich entlassen worden, weil ich an der Schuldenbremse festhalte. Ich will gerne mehr investieren, aber dafür sollten wir nicht immer mehr Schulden anhäufen, sondern die Milliarden Euro nutzen, die wir wegen Fehlanreizen beim Bürgergeld und in Folge irregulärer Migration nach Deutschland ausgeben. Wir müssen nicht immer mehr öffentliches Geld suchen, sondern mit den vorhandenen öffentlichen Geldern besser umgehen.
Ist die kurzzeitige Opposition in den verbleibenden Wochen dieser Wahlperiode Ihr Inkubator für den nächsten Regierungseintritt?
Im Wahlkampf ist es unsere Aufgabe, deutlich zu machen, weshalb es die FDP für die anstehenden Richtungsentscheidungen braucht. Wir wollen die Zukunft des Landes gestalten und verbinden wirtschaftliche und gesellschaftliche Liberalität miteinander. Das ist unser Alleinstellungsmerkmal.
Unternehmer müssen oft ihre Mitarbeiter nach Rückschlägen motivieren. Wie gelingt Ihnen das mit Ihrer Partei?
Wir sind hochmotiviert. Ich sehe das bei unseren Unterstützern ebenfalls. Wir haben jeden Tag für Eigenverantwortung, mehr Freiheit statt Bürokratie, Marktwirtschaft und Respekt vor Eigentum in der Ampel gekämpft. Am Ende waren diese Werte aber verdeckt durch Kompromisse und Streit. Jetzt sind sie wieder sichtbar.
Start-ups werben gerne mit innovativen Ideen, die bestehende Märkte, Technologien oder Geschäftsmodelle grundlegend verändern und oft auch ablösen. Was ist Ihre disruptive Vision für Deutschland?
Über die letzten Jahre hat der Staat sich sehr ausgedehnt. Es hat sich auch in der Gesellschaft eine gewisse Staatsgläubigkeit verbreitet. Deshalb wäre Disruption, dass wir uns alle wieder selbst mehr zutrauen. Wir brauchen einen Staat, der uns bei großen Fragen wie Sicherheit nicht im Stich lässt, aber im Alltag bitte in Ruhe.
Viele Bürgerinnen und Bürger trauen dem Staat und den Parteien nicht mehr viel zu. Das Scheitern der Ampel-Koalition passt irgendwie ins Bild. Was wollen Sie tun, damit wieder mehr Menschen Vertrauen in das Funktionieren des Staates und der Parteiendemokratie gewinnen? Haben Sie eine Art „Vertrauensplan“?
Probleme lösen. Es ist doch offensichtlich, was die Bürgerinnen und Bürger wollen. Nicht reden, sondern der Wirtschaft die Fesseln lösen, damit wir wieder Wachstum sehen. Nicht reden, sondern die Probleme der irregulären Migration lösen. Dafür müssen die Bürgerinnen und Bürger freilich auch die passende Regierung wählen. Ich sage offen, dass seit 2013 in Deutschland die Parteien links der Mitte, also SPD und Grüne, in der Großen Koalition und der Ampel viel zu sagen hatten. Ich bin dafür, dass wir das Land jetzt stärker in die Mitte rücken. Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün wären das nicht. Deshalb muss die FDP stark werden.
Sie waren Finanzminister. Was würden Sie als Bauminister tun?
Das Bauen einfacher und günstiger machen. Wenn wir nicht mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen – und das geht insbesondere über die Reduzierung von Standards – dann wird das Thema Wohnen unsere Gesellschaft weiter polarisieren. Freibeträge bei der Gewerbesteuer können einen Beitrag leisten.
Halten Sie den Immobilienmarkt für überreguliert?
Aber sicher. Mit dem Gebäudetyp E hat unser FDP-Justizminister Marco Buschmann im Bauen eine Vereinfachung auf den Weg gebracht. Beim Mietrecht hat er eine Verschärfung abgewendet. Viel mehr muss kommen.
Derzeit sind sowohl die Märkte für Mietwohnungen als auch für Kaufimmobilien recht unbeweglich. Was kann die Politik tun?
Das ist in der Tat eine große Herausforderung. Denn eine Volkswirtschaft, die zum Beispiel auf die Mobilität von Auszubildenden und Fachkräften angewiesen ist, muss dafür sorgen, dass diese Menschen umziehen oder als Pendler eine Unterkunft finden können. Mit dem bereits erwähnten Gebäudetyp E und der von der FDP vorangetriebenen Novelle des Baugesetzbuches gehen wir erste wichtige Schritte, um den Wohnungsbau vor allem in angespannten Wohnungsmärkten zu vereinfachen und zu beschleunigen. Weitere Schritte müssen folgen. Am Ende muss ein modernes und effizientes Baurecht stehen, das Bauen erleichtert. So bewahren wir Mieter und Käufer vor Kostenexplosionen und leisten einen bedeutenden Beitrag zum Gelingen der Wirtschaftswende.
Schon Ludwig Erhard wusste: Zum Aufstiegsversprechen der sozialen Marktwirtschaft gehört eine breite Eigentumsbildung. Tatsächlich wohnt noch nicht einmal jeder zweite Deutsche in den eigenen vier Wänden.
Deshalb müssen die Menschen mehr Netto vom Brutto behalten, damit sie Kapital bilden können. Und deshalb bin ich für Freibeträge bei der Grunderwerbsteuer für die selbstgenutzte Immobilie. Das hilft zumindest
Makler und Verwalter stehen manchmal in der Kritik, dabei ist ihre Arbeit unverzichtbar für die Transparenz und das Funktionieren der Immobilienmärkte. Was kann die Politik tun, um die Wertschätzung und die Akzeptanz für Immobilienberufe zu erhöhen?
Die Parteien links der Mitte arbeiten leider mit Feindbildern. Dazu gehören die Makler oder auch große Wohnungsunternehmen. Dagegen wende ich mich. Wir müssen ganz nüchtern aufklären, dass Knappheit und hohe Baustandards zu steigenden Preisen führen, und nicht die, die Wohnraum anbieten und vermitteln.
Veröffentlicht im AIZ-Immobilienmagazin, AIZ 1/2025
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